Читать книгу Die Stimme des Atems. Wörterbuch einer Kindheit онлайн

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Das Bärlein

Ich drücke ihn eines Abends kurz nach unsrem Einzug ins Haus über der Stadt zum ersten Mal an mich. Ich stehe im holländisch rot und grau gefliesten Korridor, das Licht brennt rötlich, vor mir dreht sich die Treppe nach links ins Obergeschoss, rechter Hand steht der in die Wand eingebaute Spielzeugschrank offen. Vor Mitleid und Freude bin ich stumm. Er ist etwa anderthalbmal so gross wie meine Handspanne und hat irgendwo, von allen vergessen, herumgelegen, schwer krank. Die vier Tatzen fransen aus und sind leck, am Kopf und an den Beinen ist der Plüsch weggescheuert, ich taste über das arme rauhe Gewebe, die Spitze der langen Nase weist nach rechts, ein Geburtsfehler, die mit schwarzem Wollfaden gestickte Schnauze ist angerissen, die Nüstern hat er verloren, die meisten der in Schwarz angedeuteten Krallen sind ihm ausgefallen. Die schwarzen Pupillen der Knopfaugen aus Glas sind rot umrändert, er muss viel geweint haben, wie gut ich das verstehe, die Ohren sind rund und klein. Ein Jammergeschöpf, es fällt mir ins Herz, wo es genau hineinpasst. Ich renne zur Mutter, ihr den Fund zu zeigen, denn ich habe von diesem Spielbären unter den Sachen meiner Geschwister nichts gewusst. In den folgenden Tagen flickt sie die gröbsten Wunden, so dass keine Spreu herausrinnt. Den Hintertatzen werden rote Ledersohlen aufgenäht, die Vordertatzen mit rotem Stopfgarn verstätet.

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