Читать книгу Dada. und andere Erinnerungen aus seinem Leben онлайн

23 страница из 24

Noch ein großer Unterschied scheint mir zwischen der heutigen jungen Generation und unserer damaligen zu bestehen: Wir sind eigentlich dem Zauber der großen Schlagworte nie erlegen, sie amüsierten uns, aber wir rochen die Lüge, die in ihnen steckte. Heute? Denken Sie an die Fronten und Fröntlein, an die Jungbünde und -bündlein. Glauben Sie, dass da überall Überzeugungen dahinterstecken? Vielleicht, ich will niemanden verdächtigen. Zusammenschluss, Sich-die-Ellbogen-Fühlen, ist vielleicht etwas Schönes, und wenn es nicht etwas Schönes ist, so doch sicher etwas Bequemes. Gewiss, die Entwicklung unserer Zivilisation drängt zur Wirkung der Masse, die Masse wird etwas zu sagen haben – aber sagt die Masse etwas? Die Masse sagt, was die Führer wollen. Von uns ist keiner ein Führer geworden, doch, einer, und dessen Geschichte ist so lustig, dass ich sie noch erzählen will.

Wir hatten einen Balten, einen kleinen kurzsichtigen Menschen mit großen Brillengläsern, Feo nannten wir ihn. Er war zwei Klassen unter uns, aber von einer so penetranten Klugheit, dass wir ihn duldeten. Wegen irgendeines Skandals wurde er aus dem «Heim» entfernt. Er stammte aus der Umgebung von Riga. Letzthin erzählte mir ein Bekannter folgendes: Nach dem Zusammenbruch des zaristischen Regimes flüchtete ein baltischer Baron, kleiner Leutnant von der Garde, Ungern-Sternberg, Baron, nach der Mongolei. Dort gelang es ihm, einige Stämme unter seine Herrschaft zu bringen, er wurde oberster Kriegsgott, ja Kriegsgott (nur Balten können auf so wunderbare Ideen kommen). Er herrschte nicht besser und nicht schlechter als sonst ein Gott, und sein Hauptpläsier war es, die Herren vom Hammer und der Sichel ein wenig anzuöden. Bis sich diese aufrafften und den obersten Kriegsgott der Mongolen ganz prosaisch erschossen. Nun, in der Begleitung dieses Ungern-Sternberg befand sich ein kleiner Mann, Feodossieff soll er geheißen haben, der die Funktionen eines Oberpriesters innegehabt haben soll. War es unser Feodossieff? Wenn er’s gewesen ist, so hat er wohl das schlagendste Beispiel für den Einzelgänger gebracht, den Einzelgänger, der sich höchstens zu einer Kameradschaft zu zweit aufschwingen kann. Und hat damit den Beweis erbracht, dass die Individualpädagogik der Landerziehungsheime doch fruchtbar gewesen ist, wenn die Frucht auch reichlich merkwürdig ausgefallen ist.

Правообладателям