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«Wir werden jetzt zu einer Neuwahl schreiten», sagte Cavaluzz, nachdem er das Couvert geöffnet hatte. «Vorgeschlagen sind …» Er nannte ein paar Namen, Schüler der vierten Klasse. Ein langweiliger Kerl wurde gewählt mit fünfunddreißig Stimmen gegen fünfundzwanzig Enthaltungen. Auch der Ausschuss hatte nicht mitgestimmt.
Die Sache hatte ein Nachspiel. Wir wurden vom Direktor verhört, wir drei, Rösel, Ted und ich. Die Kleinen hatten wahrscheinlich geklatscht (der Direktor unterrichtete nur in den untern Klassen), und so fühlte sich der Direktor verpflichtet, die Sache zu untersuchen. Chleb, der verjüngte Gerhart Hauptmann, war anwesend als Protokollführer. Ich hatte damals einen richtigen Ehrlichkeitsrappel und erzählte die ganze Geschichte. Es sei doch mein gutes Recht, eine Aktion gegen einen Kameraden zu unternehmen, den ich für unfähig hielte. Ich war aufgeregt, der Direktor, der vielleicht kein ganz ruhiges Gewissen wegen der Ohrfeigen hatte, behandelte mich mit Glacéhandschuhen. Rösel schwieg, Ted war frech. Endlich wollte der Direktor wissen, wer die Petition aufgesetzt habe. «Ich habe sie konzipiert», sagte Rösel ruhig, und die Worte tropften verächtlich von seinen Negerlippen. Ob er nicht wisse, dass das schmutzige Politik sei? wollte der Direktor wissen. «Verzeihen Sie», sagte Rösel, «sollen wir hier fürs Leben vorbereitet werden oder für einen Kindergarten?» Er ließ das Fragezeichen in der Luft hängen, schritt gemessen zur Tür und verschwand. Nach dem Verhör machte mir Chleb Komplimente über meine Ehrlichkeit; aber ich konnte mich nicht lang an ihnen freuen, denn Rösel sagte nachher zu mir: «Du bist ein Schwätzer und wirst ein Schwätzer bleiben!» Ganz unrecht hat er ja nicht gehabt. So musste ich einige Tage an einem Zwiespalt tragen, denn Chleb, der mich bisher nicht beachtet hatte, sprach nun manchmal mit mir, was mich stolz machte. Er war nämlich ein Dichter, und ein Drama von ihm war von der Schillerstiftung mit einem Preis ausgezeichnet worden. Aber die Kehrseite war, dass Rösel mich nicht mehr beachtete. Und das kränkte mich.