Читать книгу Dada. und andere Erinnerungen aus seinem Leben онлайн

15 страница из 24

Denn wir hatten eine Landsgemeinde, die aus der Versammlung aller sechzig Schüler bestand. Kein Lehrer durfte an ihr teilnehmen; denn wir verhandelten, kritisierten, und manchmal ging es ein wenig rabiat zu. Abgehalten aber wurde sie in dem kleinen Sälchen neben dem Speisesaal, von dem ich Ihnen schon erzählt habe.

Noch ein Bild: Vor uns thronten, um einen langen Tisch, die fünf Ausschussmitglieder. In der Mitte der Präsident, Cavaluzz, der Komponist, der die Narrenlieder vertont hatte, rechts von ihm die Zwetschge, an der Schmalseite des Tisches Rösel, den klobigen Kopf eingezogen, wie eine Schildkröte. Auf der andern Seite saß Paul, der nicht einmal einen Übernamen hatte, weil er allzu bedeutungslos war, und Pfumpf, ein Basler, dessen Gesichtshaut nicht nur im Frühling Blüten trieb. Vier von den Ausschussmitgliedern gehörten unserer Klasse an, nur Cavaluzz stand knapp vor der Matur.

Wir wollten den Paul «blackboulieren», wie Rösel in seinem Jargon sagte, und Ted an seine Stelle wählen. Das hatten wir in einer Geheimsitzung ausgemacht, in einer Nacht, nach zehn Uhr (und bekanntlich war um zehn Uhr Lichterlöschen; aber dann verhing man die Fenster mit Wolldecken und rauchte, obwohl Rauchen verboten war). Bei dieser Geheimsitzung war ich die Hauptperson, denn ich hatte gerade einen Triumph über den Direktor davongetragen: er hatte mich geohrfeigt, war beim Nachtessen, gerade als er (das war das Essensbeginnritual) «gesegnete Mahlzeit» sagen und sich den nach hinten geschwungenen Stuhl in die Kniekehlen hauen wollte, was ihn automatisch zum Absitzen brachte, gerade in diesem Moment war er ausgepfiffen worden. Solidaritätserklärung, beschlossen mit Stimmenmehrheit vom Ausschuss: einzig Paul hatte dagegen gestimmt. Rösel fand, das müsse ihn jetzt den Kragen kosten. Der Direktor hatte sich nachher bei mir entschuldigt (es war ja wirklich ein gröblicher Verstoß gegen die heiligen Prinzipien der modernen Pädagogik – Prügelstrafe: Verpönt!) – übrigens tat mir der Mann sehr leid, er war so ehrlich zerknirscht, und er konnte doch nichts dafür, dass ihm die Hand ausgerutscht war, ich hatte doch wirklich ein Ohrfeigengesicht – kurz, diese Ohrfeigengeschichte hatte mir die notwendige Popularität gebracht. Ich sollte bei den Kleinen Unterschriften sammeln, unter eine von Rösel entworfene Petition, die Pauls Entfernung aus dem Ausschuss wegen Unfähigkeit forderte. Und zugleich sollte ich für Stein Propaganda machen. Es war aber dieser Stein ein kleiner, turmschädliger Kerl, mit viel Witz, Alleskönner, Mathematiker, auch Verse verbrach er, satirische Verse in Heines Manier. Die Zwetschge und Pfumpf wurden nicht in den Plan eingeweiht; sie waren verdächtig, zur Gegenpartei zu halten.

Правообладателям