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«Sie verändern sich. Ab und zu kommt ein Maler vorbei und überstreicht das alte Schild mit Barytweiss. Aber erzähl mir von denen, die in dir leben.»
«Die, die unter den grossen Zweigen der Zeder vor der Grundschule vorbeigingen. Weisst du noch? Da muss auch Yuri Gagarin in seiner Kapsel vorbeigekommen sein, als du noch unterrichtet hast.»
Ab und zu fallen sie mir wieder ein, die Schulkameraden. Das Leben hat sie entstellt. Rico zum Beispiel kommt mir in den Sinn: in der Turnhalle machte er im Schwung Handstand auf dem Barren und sah uns lächelnd an, dann rieb er sich die Handflächen mit Magnesium ein und setzte zur doppelten Riesenfelge am Reck an mit diesen langen weissen Hosen, die nur die «Aktiven» trugen.
«Du bist alt geworden, wie Nick. Du lebst von Erinnerungen.»
«Ich versuche zuzuhören, von den anderen zu lernen. Ich erzähle dir etwas. Kürzlich sass im Bus nach Como ein alter Mann mit gefärbten Haaren, der Selbstgespräche führte. Er murrte über das Personal, das seine Pflicht nicht ordentlich tut. Du weisst schon, diese übergeschnappten Einzelgänger, die im Alter vor sich hin schimpfen. An einem bestimmten Punkt ist der Fahrer – wer weiss, wie oft er ihn schon gesehen hat – sauer geworden und hat gedroht, ihn aus dem Bus zu werfen. Wirklich unverhältnismässig. Da hat der Alte ihm tief in die Augen geschaut und gesagt: «Danke Gott, dass ich ein Boxer in Pension bin. Ich kann dich nicht anrühren.»