Читать книгу Cap Arcona 1927-1945. Märchenschiff und Massengrab онлайн
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Fremd, fremd ist diese Welt. Aber nicht berauschend, neu in ihrer Fremdheit: es ist etwas längst Überwundenes, das hier noch die Gemüter erhitzt. Peinlich kopierte Pariser Eleganz ist der Ehrgeiz von Mann und Frau in den wohlhabenden Kreisen, denn Paris, und im weiteren Sinne Frankreich, französische Kultur, ist gegenwärtig der einzige Kompass für die höhere Schicht. Man reist zum Vergnügen nach Paris, – man macht dorthin Geschäftsreisen, man studiert auch allenfalls dort, denn man spricht Französisch, aber sonst nichts von Fremdsprachen.»
Cap Polonio, Sonnendeck. Auf dem 1914 gebauten Dreischornsteindampfer – vor Inbetriebnahme der Cap Arcona Flaggschiff der Hamburg-Süd – fuhr Elisabeth Rupp im Frühjahr 1922 nach Argentinien. Auf der Heimreise im Jahr darauf lernte sie ihren Mann, den zukünftigen Cap-Arcona-Kapitän Johannes Gerdts, kennen.
Abgesehen davon, dass Vergnügungsreisen nach Paris den meisten Landsleuten verwehrt blieben, waren auch in Argentinien nicht alle Frauen mit der vorherrschenden Verteilung der Geschlechterrollen einverstanden. Besonders in Buenos Aires, wo 1910 ein erster Congreso Femenino Internacional stattgefunden hatte, engagierten sich Lehrerinnen, Ärztinnen und andere gebildete Frauen für ihre Rechte. 1926 erreichten sie immerhin eine Revision der Zivilgesetzgebung, die die Unterstellung der verheirateten Frau unter ihren Ehemann aufhob, auf das Wahlrecht mussten die argentinischen Frauen bis 1947 warten. Für die Schriftstellerin Alfonsina Storni, eine der profiliertesten Frauenrechtlerinnen, verunmöglichte das Ungleichgewicht der Geschlechter letztlich selbst die Liebe zwischen Frau und Mann: «Überlegen bin ich dem Durchschnitt der Männer, die [mich] umgeben; physisch aber, als Frau, bin ich ihre Sklavin, ihr Modell, bin Ton in ihrer Hand. Frei kann ich den Mann nicht lieben: zu groß ist mein Stolz, mich ihm zu unterwerfen.» Storni, deren Lyrik noch heute in Südamerika hoch geschätzt wird, erhielt 1922 den Argentinischen Staatspreis für Literatur. 1927 erregte sie Aufsehen mit ihrem Theaterstück El amo del mundo (Der Meister der Welt), das in Buenos Aires in Anwesenheit des Staatspräsidenten Marcelo T. de Alvear und dessen Gattin uraufgeführt und schon drei Tage später vom Spielplan genommen wurde, da die feministische Radikalität der Komödie Kritik und Publikum überforderte. In Spanien stießen ihre Texte auf großes Interesse, wie Storni auf einer Europareise wenige Jahre später feststellte, bevor sie im Frühjahr 1930 auf der Cap Arcona von Boulogne nach Buenos Aires zurückfuhr.