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In Chur wohnten die Grosseltern väterlicherseits, zudem ein Onkel und eine Tante. Bei Grossmutter Berta kam einem ein be­stimm­ter Hausgeruch entgegen, den ich jedesmal wieder erkannte – unten duftete es nach Waschküche, zwei Treppen weiter oben nach Gasherd. Wir betraten jeweils die Wohnung ohne zu läuten, weil nona schwerhörig war und das Läuten gar nicht gehört hätte. Hinter dem Glas der Küchentüre sah man ihren Schatten. Mutter klopfte, öffnete dann vorsichtig, um sie nicht zu er­schre­cken. Wenn man sich mit ihr unterhielt, musste man sehr laut reden. Ich fand es merkwürdig, dass sie dann selber ebenfalls laut redete, als wären alle taub. Wenn man sass, bediente sie sich eines hornartigen Geräts, das sie sich ans Ohr hielt und in dessen muschelartige Öffnung man hineinreden musste.

Im Gegensatz zu allen andern Verwandten war sie blond und bleich, im übrigen auch die einzige Katholikin in der Familie. Zu Hause unterhielt man sich oft darüber, dass sie von Zeit zu Zeit Erscheinungen hatte, fragte sich, ob das mit ihrer Schwerhörigkeit zusammenhängen könnte. Ihr Mann, Grossvater Andri, glaubte nicht daran, weil sie nämlich schon früher Visionen gehabt hatte; er war überzeugt, die Sache habe etwas mit ihrem katholischen Glauben und ihrer Religiosität zu tun – sie denke zu viel ans Jenseits und an die Toten, und dann kämen sie eben. Hie und da, etwa bei Tisch, konnte es geschehen, dass sie plötzlich erschrak, das Besteck fallen liess, verwirrt ins Leere blickte und hastig flüsterte: «Schau da! Schau da! Habt ihr gesehn?» Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden, dann war der Spuk vorbei. Nachher schien sie noch blasser als sonst. Sie hatte jemanden gesehen, der zur Türe hereinkam, etwas im Kü­chenschrank suchte und dann durch die Mauer verschwand. Sie erkannte die Person nie genau, manchmal war diese wie durchsichtig, doch sie war überzeugt, es handle sich um ihre Tochter Chatrina, die mit dreiundzwanzig Jahren gestorben war. «Mein böses Gewissen», sagte sie. Sie dachte an damals, als Chatrina mit Lungentuberkulose darniederlag und sie selber ihre Tochter, aus Angst vor Ansteckung, durch jemand andern pflegen liess und nicht einmal in der Nacht ­ihres Todes bei ihr blieb – aus purer Feigheit. Dafür hatte sie jetzt ihre Heimsuchungen, die sie, wie sie behauptete, manchmal schon eine Weile vorher kommen spürte. Wenn sie dann plötzlich aufhorchte und zur Türe starrte, fragte Grossvater ganz ruhig, die Suppe löffelnd: «Kommt sie wieder?»

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