Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн

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Mit dem Versuch, sein eigenes Ich zu literarisieren, befand sich Frisch in bester Gesellschaft. Das zwanzigste Jahrhundert ist das Jahrhundert der Ich-Literatur. Die Brüchigkeit des Ichs, das Zerbrechen von Ich-Identität, die Suche nach dem Selbst, die Auflösung des Individuums, die Beschädigung, Entwertung und Entfremdung des einzelnen – unter zahlreichen Titeln reflektierte die Literatur, was in der Wirklichkeit dieses Jahrhunderts mit atemberaubender Geschwindigkeit vor sich ging, nämlich die Marginalisierung des einzelnen, einmaligen und unverwechselbaren Menschen, wie ihn die Humanisten und Aufklärer zum Maß aller Dinge erhoben hatten. Voll bitterer Ironie konstatierte Günther Anders zur Jahrhundertmitte die »Antiquiertheit« eben dieses »Menschen«.

So konsequent Frisch sich selbst und sein Leben literarisierte, so konsequent verbarg er zugleich alles nur Autobiographische. Das wirkliche Leben des Schriftstellers, so seine Überzeugung, finde im Kopf statt: »Ein großer Teil dessen, was wir erleben«, schrieb er in Ich schreibe für Leser, »spielt sich in unserer Fiktion ab, das heißt, daß das wenige, das faktisch wird, nennen wir's die Biographie, die immer etwas Zufälliges bleibt, zwar nicht irrelevant ist, aber höchst fragmentarisch, verständlich nur als Ausläufer einer fiktiven Existenz. Für diese Ausläufer, gewiß, sind wir juristisch haftbar; aber niemand wird glauben, ein juristisches Urteil erfasse die Person.« Darüber hinaus war Frisch von der besonderen Anfälligkeit der Menschen zur biographischen Selbsttäuschung überzeugt. »Jeder Mensch erfindet sich eine Geschichte, die er dann, oft unter gewaltigen Opfern, für sein Leben hält, oder eine Reihe von Geschichten, die sich mit Ortsnamen und Daten durchaus belegen lassen, so daß an ihrer Wirklichkeit nicht zu zweifeln ist«, schreibt er in Unsere Gier nach Geschichten. Dieser Selbsttäuschung unterlag auch Frisch immer wieder.

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