Читать книгу "Man treibt sie in die Wüste". Clara und Fritz Sigrist-Hilty als Augenzeugen des Völkermordes an den Armeniern 1915-1918 онлайн

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7. Dem interessierten Leser verschafft das Tagebuch einen Einblick nicht nur in das Elend der täglich vom Norden und Westen der Türkei her durchziehenden, vertriebenen Armenier. Auch liefert es, wenn auch stichwortartig, konkretes Tatsachenmaterial zu der noch sehr wenig aufgearbeiteten Geschichte der Aus­beu­tung und Vernichtung der Armenier beim Bau der Bagdadbahn während des Ersten Weltkrieges. Claras Einträge bringen den Leser näher an die tragische Geschichte der Tausenden von armenischen Fachkräften und Bauarbeitern, die häufig samt ihren Familien in der Amanusgegend bei der Bagdadbahn unter sklaven­ähnlich­en Verhältnissen schufteten, oft für nur Brot und Wasser, um anschließend ins Nichts verschickt, erschossen, erhängt und abgeschlachtet zu werden.

8. Als primäre Quelle zum armenischen Genozid ist Claras Tagebuch – gemeinsam mit ihrem Augenzeugenbericht – ein unanfechtbares Dokument gegen die offizielle Politik aller türkischen Regierungen, die seit der Gründung der Republik 1923 bemüht gewesen sind, die Geschichte zu revidieren, die historische Tatsache des Genozids an den Armeniern zu bestreiten, zu fälschen und zu leugnen. Die im Tagebuch enthaltenen Notizen über die zielgerichteten Deportationen und Hinrichtungen der fleißigen und friedlichen armenischen Bauarbeiter der Bagdadbahn in der Amanusgegend widerlegen den offiziellen türkischen Leitsatz, nach dem die Deportationen und Gewalttaten gegen die Armenier normale Sicherheitsmaßnahmen in einer Kriegszeit und vornehmlich eine Reaktion gegen die aggressiven Handlungen von armenischen Revolutionären bzw. Milizen gewesen seien, die im Osten des Landes den russischen Kriegsgegner unterstützt hätten. Claras Schriften sind ein Beweis dafür, dass es den Jungtürken in Wirklichkeit eher darum ging, im Schatten der Weltkrieges ihr nationalistisches Endziel zu erreichen: die ganze indigene christliche Bevölkerung auf kleinasiatischem Boden – Armenier, Aramäer, Assyrer und Griechen – auszurotten und eine Türkei für die Türken zu errichten. Heute kann man kein Hehl mehr daraus machen. Im politischen Archiv des Auswärtigen Amtes wird dieses Endziel als historische Tatsache dokumentiert. Im Juni 1915 schrieb Innen­minister Talaat, die türkische Regierung wolle «den Weltkrieg da­zu benutzen, um mit ihren inneren Feinden – den einheimischen Christen aller Konfessionen – gründlich aufzuräumen, ohne durch diplomatische Interventionen des Auslandes gestört zu werden».55

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