Читать книгу "Man treibt sie in die Wüste". Clara und Fritz Sigrist-Hilty als Augenzeugen des Völkermordes an den Armeniern 1915-1918 онлайн

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3. Claras Sondersituation gewährleistet auch ihre Unparteilichkeit. Im ersten Jahr in der Türkei ist sie sozusagen auf Hochzeitsreise, im zweiten Jahr erwartet sie ihr erstes Kind, im dritten wird sie Mutter. Clara ist während ihres dreijährigen Aufenthaltes in der Türkei ständig hin- und hergerissen zwischen ihrem Streben nach persönlichem Glück und den von draußen auf sie eindrängenden bedrückenden Bildern eines Völkermords. Im ersten Jahr klagt sie darüber nachdrücklich in ihrem Tagebuch: «Hier müsste man mit der Zeit herzkrank werden oder selbst grausam» (1. Oktober 1915). Oder: «Wenn man das nicht mehr hätte sehen müssen!» (9. Oktober 1915). Mit der Zeit nimmt sie einen gewissen Abstand von den Ereignissen und versucht, sie zu relativieren. Zuweilen wirken ihre Tagebucheinträge erstaunlich neutral, ja teilnahmslos. Doch die ständigen «Marienbilder» von draußen haben eine starke Wirkung auf sie. Am 27. März 1917, nachdem sie ihren Erstling geboren hatte, schreibt sie: «Der Kleine lacht und plaudert auf dem Sofa zu unserem Frühstückstisch herüber, während unten in der Ebene die Armen wandern, ebenso kleine Geschöpfe mit sich tragend.» Umso gewichtiger und aussagekräftiger sind Claras Bezeugungen, die in diesem Spannungsfeld entstehen.

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