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Es war kalt in der Wohnung und ich hatte kein Geld, um etwas zu unternehmen. Und so langsam machte ich mir wirklich Gedanken darüber, was mit Juri geschehen war. Deshalb holte ich seinen Koffer aus der Abstellkammer und öffnete ihn.

Was wusste ich denn schon von Juri? Ein paar Dinge aus seiner Kindheit. Er hatte erzählt von Ferien in der Ukraine, von Obstgärten voller blühender Pflaumen- und Kirschbäume, in denen er sich als Kind herumgetrieben hatte, und dass sie dort mit einem Gewehr auf Vögel geschossen hatten. Dass im Winter in Tscherepovez, das lag ganz im Norden, nur ein einziger Raum der Wohnung beheizt wurde, und dass sich die ganze Familie abends dort aufhielt. Von einem alten Onkel, der Dinge sah, die niemand sonst wahrnahm, und der ihn als Kind oft erschreckt hatte. Russland hat mich immer schon angezogen, aber mit meinen Bildern von Schlittenfahren und russischen Bauerndörfern lag ich vermutlich um Jahrhunderte hinter der Realität.

Der Koffer war nicht abgeschlossen. Zuerst sah ich einen zerknitterten Seidenschal und ein paar abgelaufene Kindersandalen. Darunter lag ein bestickter Beutel voller Murmeln und Kinderkram mitsamt einem kleinen, kopflosen Püppchen, was ich berührend fand. Dann war da noch ein USB-Stick, der überhaupt nicht in diesen Beutel passte. Ansonsten enthielt der Koffer Fotoalben und Kartonmappen mit Briefen und Dokumenten. Ich blätterte ein paar Briefe durch, konnte aber nichts lesen, schon wegen der kyrillischen Schrift. Die meisten Briefe waren von Hand geschrieben und vom Alter leicht angegilbt. Ich stellte mir vor, wie Juri die Post seiner Mutter und seiner Grossmutter aufbewahrte, Briefe, die er erhalten hatte, als er in irgendeinem Wohnheim in einer fremden russischen Stadt lebte und studierte.

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