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Während ich Blusen und Halstücher aus dem Kleiderschrank riss und Teppiche zusammenrollte, dachte ich an Frau Rottuner, meine Klavierlehrerin, die vor zwei Jahren gestorben war. Ich hatte sie noch bis kurz vor ihrem Tod mindestens einmal im Monat besucht, selbst als sie schon im Altersheim war und mich nicht mehr erkannte. Darauf war ich stolz.
Am letzten Abend kam Esther vorbei, und wir gingen gemeinsam in ein thailändisches Restaurant essen. Esther lud mich ein und bezahlte mich auch für meine Arbeit. Sie hat das Sprachstudium, das sie gemeinsam mit mir begann, mit Doktorat abgeschlossen, während ich nach sechs Semestern abbrach. Heute arbeitet sie in einem Sprachinstitut in leitender Stellung. Sowieso leben alle früheren Freunde und Freundinnen inzwischen in besseren Verhältnissen. Ich kann nicht mithalten, nicht beim Einkommen, auch nicht beim Nachwuchs, nicht bei den glücklichen Ehen und nicht bei den stilvoll eingerichteten Wohnungen und Eigenheimen im Grünen. Ich nehme an, einige meiner Bekannten halten mich für eine Versagerin. Normalerweise finde ich, dass das ihr Problem sei, aber in der letzten Zeit lief ich Gefahr, ihr Urteil zu übernehmen. Immerhin habe ich keine gesundheitlichen Probleme, dachte ich, als ich nach unserem Abendessen im Tram nach Hause fuhr. Kaum hatte ich mich dabei ertappt, das in allem Ernst gedacht zu haben, machte ich mir wirklich Sorgen um mich. Früher hatte ich keine solchen Gedanken.