Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Gian konnte Greti gut verstehen. Er redete ihr zu, mit ihm zu kommen und die Examensliteratur mitzunehmen. Ich begreife, dass Dir die Entscheidung schwerfällt, denn Du steckst nun mittendrin in Deiner Arbeit, Du hast das Examen als etwas Konkretes vor Dir und bist umkränzt oder umzingelt vom bündnerischen Kirchen- und Grossen Rat. Versuche Dich einmal nach Brasilien zu versetzen und lass dann dies alles auf Dich einwirken. Die Wichtigkeit und Tragweite der verschiedenen Räte wird dann wesentlich geschmälert (sag es bitte Deinem Ätti nicht) (…).170

Gians Worte überzeugten Greti, und nun ging alles Schlag auf Schlag. Er telegrafierte seine Zusage nach Brasilien, buchte die Überfahrt für den September, und die machtlosen Eltern und Schwiegereltern stimmten der Hochzeit zu. Am 8. September 1929 traute Josias Roffler Tochter und Schwiegersohn in seiner Kirche in Igis. Form und Inhalt der Feier bestimmte Greti. Sie setzte ihren Wunsch durch, die Ehe an einem Sonntag vor versammelter Gemeinde zu schliessen anstatt abseits des öffentlichen Interesses171 an einem Werktag, wie es der Vater lieber gehabt hätte.172 Und sie wehrte sich gegen seinen Vorschlag, als Trauspruch Ruth 1,16 Wo Du hingehst, da gehe ich auch hin zu verlesen. Den Vers fand sie abge­droschen, denn dass sie dem Liebsten folge, sei ihr selbstverständlich. Wichtiger schien ihr, nie zu vergessen, dass unsere Liebe geschenkte Gnade Gottes ist, (…) dass uns unsere Ehe nicht das Letzte und das Höchste sein darf,173 wie sie Gian einschärfte: Wir dürfen nie in unserer Ehe aufgehen.174 Die Verse 34 und 35 aus Lukas 20 passten da besser, denn sie war sich nun gewiss, dass sie der Theologie auch in der Ehe treubleiben wollte: Und Jesus sprach zu ihnen: Die Kinder ­dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten; welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder heiraten noch sich heiraten lassen.175 Kurz vor der Hochzeit schrieb sie ihre Interpretation des Lukas-Wortes: Ich nehme die Aufgabe meines Examens mit mir und die Aufgabe nie zu vergessen, dass ich Theologin bin. Wenn ich katholisch wäre, wäre ich Nonne, «Gottgeweihte». Aber als Protestantin habe ich die evangelische Freiheit, mich zu verehelichen.176

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