Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Doch das Paar setzte sich durch. Als Gian nach Abschluss seines Studiums die Stelle in Brasilien in Aussicht hatte, rang Greti Eltern und Schwiegereltern die Erlaubnis ab, ihn zu heiraten und nach São Paulo zu begleiten. Dort mieteten sie zwei Zimmer mitten im Stadtzentrum bei einer deutschen Familie. Die Rua Xavier de Tole­do 9 lag eine Viertelstunde zu Fuss vom imposanten Bahnhof Estação da Luz entfernt, dem Symbol der Elite São Paulos, wo Kaffee und Zucker aus den armen Bundesstaaten des Nordens ange­liefert wurden.19 Noch näher lagen zwei grosse Baustellen. Hier entstan­den die neogotische Catedral da Sé und der Martinellibau, das erste Hochhaus Brasiliens. Die ersten zwölf Stockwerke waren soeben einge­weiht worden, auf dreissig Etagen sollte der Wolkenkratzer noch wachsen. Ingenieur Büchi, ein Schweizer, der mit Greti und Gian in der Pension Helvetia ass, baute für die Firma Schindler den Lift ein, der allein eine Million Schweizerfranken kostete. An einem Feiertag führte Büchi sie durch das Bauwerk. Während Gian seinen Ausführungen zu den technischen Details zuhörte, setzte sich Greti auf eine Kiste und vertiefte sich in ihr Psychologiebuch.20 Ihre Lust, die Welt zu entdecken, schwand, und plötzlich war ihr mehr nach Nestbau als nach Abenteuer. Gianin hatte eine Zeit lang die fixe Idee, in einer fremden Stadt hätte man abends die Stadt zu besehen, berichtete Greti den Eltern. Wir haben es dann auch versucht, es war aber schrecklich langweilig. Und nun finden wir es am schönsten daheim.21 Nach dem Abendessen schnitten sie eine Papaya22 auf, die Greti auf dem grossen Samstagsmarkt gekauft hatte.23 Solche Früchte hatten die beiden weder in Graubünden noch in Zürich je gesehen. Während sie abwusch, sass er auf dem Gutschi (Couch) in der Stube, las ihr vor oder spielte Handorgel. Wenn sie nicht zu müde waren, fragten sie einander Portugiesischwörter ab.24

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