Читать книгу Anaconda 0.2. Roman онлайн
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Es war die Zeit der Börsencrashs, der einstürzenden Banken und kollabierenden Staaten, die Zeit des leichten Geldes für die einen und der schleichenden Misere für die andern. Wir klebten an den Bildschirmen, verfolgten die Nachrichten und stellten uns in die Startlöcher, um unsere kleinen Ersparnisse in jedem Augenblick ins Trockene zu bringen. Nur wo das sein sollte, wussten wir nicht.
Sie aber hatten die Straße gewählt, den Protest. Sie hatten Schilder gemalt, Sprachrohre organisiert, Parolen ausgedacht. Nachdem die Demonstration offiziell verboten worden war, hatte sich die Organisation in den Untergrund der Mobiltelefone und sozialen Netzwerke verschoben, weder Kopf noch Schwanz, eine große, wachsende Qualle, die sich durch die Stadt bewegte, bereit, mit ihren ständig sich wandelnden Nesselzellen jeden beliebigen Ort zu verbrennen.
Leo hatte sich unter die Demonstranten gemischt, sich ins Zentrum der Menge gedrängt, ohne Maske, weder Kappe noch Brille. Er war nicht der Typ, sich zu verstecken, nahm kein Blatt vor den Mund, war immer einer von denen, die sich die Hände schmutzig machten. Er trug ein Schild, gebaut aus einem großen, grauen Karton, den er auf einen Holzstab genagelt hatte. Auf den von der Polizei geschossenen Fotos kann man noch den Slogan lesen: Hast du Hunger? Friss einen Bankster! In roter Dispersion hatte er die Buchstaben mit einem großen chinesischen Kalligrafiepinsel auf sein Schild gemalt, überzeugt davon, dass dieses Instrument von nun an nur noch auf diese Weise verwendet werden würde, dass die Zeit der dekorativen Unterhaltung endgültig überwunden sei und dass die Sprache, nach so vielen Jahren der Dekadenz und der Verachtung der Moral, nun wieder einen Sinn erhalten, einen Vertrag bilden sollte zwischen dem, der sendet, und jenem, der empfängt. Ein Wort auf ein Schild malen und dieses mit erhobenem Haupt durch die Straßen tragen war für Leo, als würde er zum Messer greifen oder einen terroristischen Akt begehen. Die sechsundzwanzig Buchstaben des Alphabets waren seine Munition; die Zunge, die Schilder, die Manifeste seine Waffen. Da war er, mitten unter den Empörten, schrie sich die Lunge aus dem Leib, schrie bis zur Erschöpfung, klammerte sich an seinem Schild fest, das die Polizisten sofort als Feind identifiziert hatten, als Bedrohung der öffentlichen Ordnung, das musste Leo gespürt haben, er wird es in ihren Blicken erkannt haben, die durch Schutzbrillen drangen. Leo hatte keine Angst. Er drängte sich so nah wie möglich an die Polizisten heran, er wollte sie sehen. Er wollte, dass die Ordnungshüter seine Präsenz physisch erlebten wie eine Macht, gegen die es kein Mittel mehr gibt.