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Seine Finger hatten sich am Holzstab des Schildes festgeklammert. Wie ein großes Segel wehte der bemalte Karton über seinem Kopf, sein Mund wohl trocken, die Kehle rau.
Der Augenblick, als alles außer Kontrolle geriet, ist nie geklärt worden. Vielleicht verlor ein Demonstrant die Nerven, vielleicht machte ein Polizist eine unüberlegte Bewegung. Kein Video, keine einzige Fotografie existiert, außer die Polizei habe sie verschwinden lassen, nichts, was den Anfang dokumentieren würde. Es gibt die Aussagen, natürlich, aber der Versionen sind unzählige.
Von Zeugenaussagen wissen wir, dass Leo sich von der Menge hatte mittragen lassen. Einige berichteten, er habe wie hypnotisiert gewirkt von allem, was rund um ihn herum geschah. Aber wer glaubt schon nachträglichen Erzählungen, diese von der einen oder anderen Meinung verdrehten Geschichten dessen, was geschah auf der Kreuzung der Hauptverkehrsader der Stadt?
Was wir hingegen wissen: Leo ist irgendwann umgefallen. Das Chaos war total, Demoschilder krachten auf die Schutzschilder der Polizisten nieder, Fäuste platzten auf Metallhelme, auf Panzerwesten und Plexiglasscheiben, hinter denen sich große mit Kautschukpatronen geladene Pistolen verbargen, die Flashball. Leo kannte diese Pistole, er hatte sich informiert, hatte Bilder im Internet betrachtet, und nun stand er vor ihr, konnte sie beinahe anfassen. Aber plötzlich trafen ihn Schläge, die Stöcke und Schilder prasselten von der anderen Seite auf die Demonstranten nieder, auf Schultern und Beine, Rücken und Köpfe. Die Schläge waren so heftig, dass mehrere Rippen brachen, Arme und Nasen. Das Blut der Demonstranten floss wie Öl ins Feuer der Proteste.