Читать книгу Reportagen 1+2 онлайн
118 страница из 255
Ganz ähnlich unwirklich Koerfers Liebe, nur andersherum. Während Walter alle Liebes-Szenen entsinnlicht, trägt Koerfer mit dem grossen Verruchtheits-Pinsel auf. So eine geile Madame, die auf dem Kaminsims mit einer kostbaren Metallplastik masturbiert: so eine Plastik und so eine Frau hätte jeder Zuschauer auch gern zu Hause. Das wäre ja ein richtiger Softporno geworden, wenn Koerfer in diesem Stil weitergemacht hätte. Viel interessanter als diese geile Nudel, so wage ich zu behaupten, sind die wirklichen Gattinnen der Industriellen in unserm puritanischen Zürich, oder auch ihre Schwestern: echte «précieuses ridicules», und eben gar nicht so sinnlich, sondern brav im Haushalt und bei der Repräsentation ihres Gatten mitwirkend und auf ihre bescheidene Art die Reputation des Hauses mehrend und das Kapital vermehrend. Wäre Korb (Bührle) mit einer solchen Frau, wie sie im Film agiert, gesegnet gewesen: er hätte in der harten Industriewelt nicht Karriere machen können. Das Erschütternde an unsern Industriellen ist ja eben, dass es keine viscontischen Götter, weder Krupps noch Schneiders (Schneider-Creusot, Frankreich) sind, sondern verklemmte, brave, auch brav Kunst sammelnde Spiesser, die sich nach unten ans Kleinbürgertum anpassen und nicht auffallen dürfen, was ihren Lebensstil betrifft. Aber das interessiert Koerfer, der eine gewaltige Freske der Verruchtheit entwerfen wollte, nicht. Zwar strotzt sein Film von historischen Figuren, genau benennbaren, wie z.B. General Guisan, den es wirklich nur in einer einzigen Ausführung gegeben hat, in der Wirklichkeit – und der bei Koerfer ein klappriges, vor dem Rüstungsindustriellen Korb scharwenzelndes Männchen wird. Auch einen englischen Botschafter hat es während des Krieges in der Schweiz wirklich gegeben: auf den damals wichtigen Posten (Spionage etc.) hat man nicht den naivsten aller Diplomaten gestellt. Genau so wirkt er aber bei Koerfer: ein zittriger Greis (Parkinson), der von dem kleinen Polen-Mädchen, das Familie Korb aufgenommen hat, erfährt, wie grausam die Nazis in Polen wüten – und der darauf voller Entrüstung die Party bei Herrn Korb verlässt und ihn mit englischen Sanktionen bedroht. Hier wird der Film besonders peinlich, denn Koerfer hat dokumentarische Fotos von wirklichen Konzentrationslagern eingeblendet; wobei jedermann heute weiss, dass die Alliierten über die Vernichtungslager in Polen genau orientiert waren und nur deshalb nicht eingegriffen hatten, weil ihnen ihre Flugzeuge zu schade und andere militärische Aufgaben vordringlich waren. Also wirkt es lächerlich, wenn im Film der englische Botschafter sich von einem Kind über die deutschen Grausamkeiten orientieren lässt und dann eine grosse Gemütswallung zeigt und eine Änderung der englischen Politik in Aussicht stellt …