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Mit der Liebe ist es auch nicht einfach. Wie sehnt man sich nach Liebesszenen in unserer Literatur! Nach Leidenschaft! Walters Held Wander ist ein hölzernes Männchen, das alle feministischen Theoreme plakativ vor seinen Bauch hält oder als Sprechblase absondert. Von seiner Frau ist er geschieden, aber da ist keine Bitterkeit zurückgeblieben, obwohl es eine teuflische Ehe war, man trifft sich unschuldig wie Bruder und Schwester (bisschen Inzest wäre nicht schlecht), sie studiert jetzt halt Psychologie an der Uni, isst während des friedlichen, harmonischen Beisammenseins Seezunge mit Zitrone und parliert ganz nett. Mit Ruth will er ins Bett (in die Pfanne), getraut sich aber zuerst nicht recht, weil das doch allzusehr einer Situation ähneln könnte, die Winter, sein anderer Romanheld, im Roman schon vorausgenommen hat, schliesslich gelingt das aber doch noch leidlich und beschert uns eine der bedeutendsten Kitsch-Szenen der hiesigen Literatur: «Er fühlte das winzige Zittern in ihren Schultern, und selbst als ihr Mund sich ganz wenig öffnete und ‹Du› sagte …», und als sie dann «Du» gesagt hatte wie in einem Bastei-Roman Modell 1955, muss man sich hin und her überlegen, ob ein politisch bewusstes Liebespaar, wenn es brünstig wird, nach Italien fahren darf, weil dort ist auch nicht alles ideal, Streiks werden unterdrückt und viel Polizei, viel Korruption und die Genossen von Lotta Continua (Lotta, wollen wir nicht kontinuieren statt immer interruptieren?) werden auch verfolgt, jedoch andrerseits die Städte schön, vor allem die Altstädte, und viel gesundes Brauchtum noch im Schwang, Italien Italien, und wären sie nach allem Abwägen des Dafür und Dawider auch dorthin gefahren, wenn nicht die Lurche ihre Reise frühzeitig durchlurcht hätten (Kt. Uri). Immerhin entdecken sie dann ganz in der urnerischen Höhe ein Hotel, wo sie die einzigen Gäste sind, immer höher geht es hinauf, man merkt: Jetzt soll die Stimmung unheimlich werden in dieser Bergeinsamkeit, aber das Unheimliche (shining!) kommt und kommt nicht, weil die Sprache nicht unheimlich ist, hingegen kommt Adalbert Gamma, der Hotelier in seinem vergammelten Hotel, das kurz vor der Schliessung steht. Im Zimmer, wo sie dann endlich allein sind, enfin seuls, passiert auch wieder nichts von dem, was passieren könnte, wenn zwei Menschen Lust aufeinander haben, hingegen macht man sich Sorgen, ob die Genossen drunten in Zürich, welche die Abreise des Liebespaares mit scheelen Augen beobachtet haben, ist doch bei der SCHWEIZER-ZEITUNG eben ein kleiner Aufstand im Gang, ob die Genossen nicht unzufrieden seien über ihre Abwesenheit. Nachdem noch das Waldsterben (das auch noch, nach allen andern aktuellen Themen: Zeitungssterben, Freiheitssterben, Kurdensterben) in diese Szene hineingestopft und der mythische Stier gekreuzigt worden ist, fahren die beiden zurück und helfen den Genossen in Zürich, welche romantische Sitzungen in einem Hinterstübchen abhalten (viel Zigarettenrauch!) beim Basteln einer wackeren neuen Welt. Über die Beschreibung des TAGES-ANZEIGERS, alias SCHWEIZER-ZEITUNG, hat einer, der es wissen muss, nämlich Christoph Kuhn, geschrieben: «Ich stelle als einer, der seit siebzehn Jahren bei dieser Zeitung arbeitet, fest, dass wir die Irritationen, Entwicklungen und Veränderungen an unseren Sitzungen sehr viel unreiner, banaler, pragmatischer erlebt haben, weniger pathetisch und weniger dramatisch» (TAGES-ANZEIGER vom 20. September 1983). Und wer das nicht glaubt, der soll im letzten Buch von Laure Wyss – auch eine, die es wissen muss – das Kapitel «Der Korridor» nachlesen. Das ist sehr beängstigend: wie Laure Wyss das quälend langsame, als persönliches Drama erlebte Mutieren «ihrer» Zeitung beschreibt. Sie hat etwas zu diesem Thema zu sagen, darum sagt sie es genau. Sie ist an Genauigkeit interessiert. Die Heldenfiguren von Walter, die «Frauenfiguren von lyrischer Zartheit» (wie die NZZ richtig sagt), die politischen Gruppierungen in diesem Buch, welche ganze Schlagwortkataloge herunterraspeln, die bringen keine Wirklichkeit, und ihre «Phantasie» ist derart abgehoben, uninkarniert, dass sie nicht auf die Realität zurückwirken kann. Natürlich ist der Roman «raffiniert» konstruiert: mit seinen verschiedenen Ebenen. Es ist die Raffinesse eines Baumeisters, der mit den Lego-Bauklötzchen aus dem Lego-Baukasten hantiert, d.h. mit den netten, zurechtgefeilten Elementchen einer vorrealen Welt. Soviel Naivität ist dann nicht mehr unschuldig, sie kämpft auch nicht «Wider die Resignation», sondern für Entwirklichung.

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