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Kein Autor kann sich freuen, wenn Bücher oder Filme missglücken. Im Gegenteil, jeder ist darauf angewiesen, dass ihn die Produkte der Kollegen weiterbringen, anregen, in Frage stellen, beissen, zwicken, fördern. Ich stelle mir die Schreib-Arbeit, Film-Arbeit nicht nur als einsame, manchmal verzweifelte Tat vor, sondern auch als Resultat eines kollektiven Schubs, von dem wir alle gepresst werden, oder als Beitrag zu einer nie fertigen Tapisserie, wo jeder sein Stück einsetzt und jeder sich besser entwickeln kann, wenn das zuletzt entstandene Produkt mit kunstverständiger Sinnlichkeit gemacht worden ist. Als Koerfers Produzent Hubschmid mir im Frühling von diesem Film erzählte, der ganz unumwunden, manchmal drastisch, jedenfalls deutlich die Welt des Rüstungsindustriellen schildere, und als ich von Otto F. Walters Bemühen hörte, den TAGES-ANZEIGER und dessen Konflikte in sein Buch einzubauen, habe ich mich selbstverständlich gefreut. Man freut sich immer, wenn ein bisschen Wirklichkeit aufs Tapet kommt, nicht mehr um sie herumgeschrieben oder gefilmt, sondern in sie hineingeschrieben wird, wie in einen Abszess, den man zum Platzen bringt. (Die Schreibkunst von Flaubert wurde nicht ohne Grund mit einem Skalpell verglichen.) Natürlich habe ich mir keinen Abklatsch der Wirklichkeit vorgestellt, den gibt es auch im rein Dokumentarischen nicht, sogar die «härteste» Reportage, und die vielleicht ganz besonders, braucht Phantasie, Notieren und Montieren geht nicht ohne Einbildungskraft (– wie hört man zu? wie bringt man wen zum Reden? wie setzt man in Sprache und Bilder um? was spart man aus, um hervorzuheben?) – aber ich habe mir vorgestellt, Walter und Koerfer, die beiden schönen Flugmaschinen, würden sich einen harten Boden aussuchen, damit sie die richtige Startgeschwindigkeit erreichen auf der Grundlage des Realistisch-Dokumentarischen und sie dann WIRKLICH abheben können, und ich ihnen aus der Tiefe, ganz ausgeflippt vor Begeisterung, zuwinken darf … Hätte ich doch viel lieber getan, statt ihren Fehlstart zu beklagen. Das Beschreiben der Wracks am Ende der Piste ist keine schöne Aufgabe. Muss aber sein. Leider!