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NM: Wenn ich an die chilenischen Flüchtlinge denke, die nur mit dem Tropfenzähler ins Land gelassen wurden und ausgewiesen werden bei politischer Betätigung, dann kann ich eine Verwandtschaft nicht leugnen. Oder die politische Überwachung der Fremdarbeiter …

Ernst Bloch: Wie viele echte Demokraten gibt's heute in der Schweiz?

NM: Ich kann keine genauen Zahlen nennen.

Ernst Bloch: Gibt's Sozialdemokraten im Bundesrat?

NM: Deren zwei.

Ernst Bloch: Das ist also passiert.

NM: Der erste kam Anfang 1944 in den Bundesrat, als man sah, dass die Alliierten den Krieg gewinnen würden.

Karola Bloch: (lacht)

NM: Herr Bloch, als Sie geboren wurden, war Marx erst drei Jahre tot. Sie haben ein gutes Stück des letzten Jahrhunderts noch bewusst erlebt. Dann haben Sie das wilhelminische Deutschland erlebt, den Expressionismus, haben den Wehrdienst verweigert, waren mit Brecht und Benjamin befreundet, aber auch mit Otto Klemperer. Sie haben die Weimarer Republik erlebt, die Anfänge der Volksfront in Frankreich, die fremdenfeindliche Schweiz der dreissiger Jahre, Österreich, die Tschechoslowakei vor dem Einmarsch, sind quer über den Kontinent vor dem Faschismus geflohen und haben schliesslich aus Polen nach Amerika übergesetzt. Wie schlägt man sich als Philosoph durchs Leben? Ernährt die Philosophie ihren Mann, in den finsteren Zeiten? Professor sind Sie ja noch nicht lange.

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