Читать книгу Ein Bruder lebenslänglich. Vom Leben mit einem behinderten Geschwister онлайн

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Ich hatte noch niemals zuvor einen Toten gesehen, und jetzt lag da ein kleiner Junge vor mir – ein wenig älter als mein Bruder – ohne sich zu regen. Das war Josefli? War das nun dieser Josefli «selig», von dem die Grossmutter immer sprach? Ich wusste damals noch nicht, dass «selig» verstorben hiess.

Niemand sagte mir, was mit diesem Jungen hier los war. Ich wusste bis anhin gar nicht, dass Martha auch einen kleinen Bruder hatte. Sie hatte mir nie von ihm erzählt. Warum war er gestorben? War er auch im Spital gewesen? Ich getraute mich nicht, Fragen zu stellen, und niemand sprach mit mir darüber. Von nun an schlossen wir auch den kleinen Josefli ins Rosenkranzgebet mit ein.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Tod dieses kleinen Jungen in einer Verbindung zu meinem Bruder stand. Wenn mein Bruder auch sterben würde? Täuschte ich mich, spürte ich es, oder wurde es sogar laut ausgesprochen, dass es vielleicht doch besser wäre, wenn mein Bruder auch sterben könnte? Einmal erzählte meine Grosse Tante von einem jungen Mann, der als Kind auch sehr krank war. Seine Eltern bestürmten den lieben Gott so sehr, dass er ihn wieder gesund mache. Der Junge überlebte, kam jedoch später auf die schiefe Bahn und wurde zum Mörder der eigenen Mutter. Ich war verwirrt. Es hiess doch immer, wir sollten für unseren Bruder beten. War es nun plötzlich falsch, den lieben Gott eindringlich zu bitten, unseren kleinen Bruder wieder gesund zu machen?

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