Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн
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«Die Erstellung dieser Pässe, die ‹Schweizer Kollektivpässe› genannt wurden, bot erhebliche Schwierigkeiten, wenn sich auch zahlreiche Volontäre zur Verfügung stellten, um bei den Schreibarbeiten mitzuhelfen. Meine Idee war, Kollektivpässe von je 1000 Personen zu erstellen. Dazu brauchte es, nebst den Personalien, auch Fotos von den Personen, die aber in den Judenhäusern [Gelbsternhäusern] eingeschlossen waren. Eine Gruppe von 50 jungen jüdischen Volontären stellte sich zur Verfügung – zum Teil in ungarischer Uniform – , um die Personalien und Photi zu beschaffen. In einigen Fällen wurde der Zutritt in die Häuser sogar erzwungen, indem die jungen Burschen sich als Pfeilkreuzler ausgaben. In mühsamer Nachtarbeit wurden vier Pässe angefertigt, die heute wohl historische Dokumente sind.» 5
Der junge Carl Lutz auf der Atlantik-Überfahrt 1913
Obwohl sich Carl Lutz nach aussen hin – und gegenüber den deutschen und ungarischen Behörden – an die Kontingent-Anweisungen hielt, setzte er sich in einem zweiten Schritt über sie hinweg, indem er eigenmächtig den Auftrag erteilte, die genehmigte Quote um ein Vielfaches zu überschreiten. Sein ausgeklügelter und erfinderischer Plan bestand darin, die begrenzten Mittel und Ressourcen des bürokratischen Apparats auszuschöpfen, um so viele Menschenleben wie nur möglich zu retten. Damit die waghalsige Strategie nicht aufflog, hielt er seine Mitarbeiter an, jede neue Serie von Einwanderungszertifikaten und Schutzbriefen jeweils von 1 bis 7800 zu nummerieren.6 Ein weiterer bürokratischer Kniff war, die 7800 Palästina-Zertifikate als «Familienzertifikate» zu interpretieren und für jedes Familienmitglied einen eigenen Schutzbrief auszugeben. Denn, so argumentierte der gewandte Verhandlungsführer Lutz, die ungarische Regierung habe doch schliesslich «Einheiten» genehmigt, die, nach seinen Vorstellungen, bis ca. zehn Familienmitglieder beinhalteten. Diese willkürliche Auslegung hatte zur Folge, dass Carl Lutz mit der von ihm ins Leben gerufenen Rettungsaktion und durch die Unterstützung seines Rettungsteams über 50 000 lebensrettende Schutzbriefe und Schutzpässe ausstellen konnte.7