Читать книгу Am Äquator. Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete онлайн

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Der Meister hat den androgynen Leib mit einem fast megärenhaften Gesichtsausdruck verlinkt. Ihr wissendes Antlitz, ihre entschlossene Mimik sollen die Entblössung des Körpers vor falschem Zugriff der Zungen bewahren, vor den gelehrten Vielwisserzungen. Das war sein vordergründiger Eindruck. Nicht falsch, das nicht, aber die Quelle dieses Bildes liegt woanders. Hodlers Wandlung vom Verführer zum Beschützer seiner Modelle hat er im Verlauf seiner langjährigen Nahinspektion am Werk studieren und ergründen können. Der Restaurator hat sich diese Haltung angeeignet, er ist der Bodyguard der Bilder, nicht ihr Staatsanwalt.

Auf einmal war ihm klar, was er doch längst wusste. Als er im Tram sass und eine Übernächtigte einstieg. Sie war struppig und halbnackt, klapperte mit ihren rotangelaufenen Fingern. Sie würde, fürchtete er, von den bekifften Youngsters im Tram fertiggemacht werden. Doch die Jungen rückten wortlos beiseite und machten ihr Platz. Voilà.

Es heisst, Hodler habe mit seinem Motiv womöglich die Dreyfus-Affäre verarbeiten müssen, und zu allem Unfug wollen jetzt Experten im Modell Hodlers Frau Berthe gesehen haben. Möglich, dass Berthe die Figur inspiriert hat, sie sei ja cheibe mager gewesen. Nun ist Malerei auch Metamorphose, genau das beweist dieses Gemälde.

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