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Izu machte sich nichts vor. Seine Geisterwelt war eine Schimäre, ein Fantasiegebilde, befüllt mit einem Bestiarium guter, böser, rätselhafter und furchteinflößender Wesen. Bei diesem Baum jedoch bedurfte es keiner Täuschung. Der monströse Urwaldriese wirkte durch seine überragende Mächtigkeit einschüchternd genug. Es konnte gar nicht anders sein: Dieser Urwaldriese musste heilig sein. Dass außer dem Geistermann kein anderer Mensch diesen Baum berühren durfte, war ein Gebot, das Izu eingeführt hatte. Den Menschen konnte er Vorschriften machen. Allen anderen Lebewesen waren seine Spielregeln egal. Droben im Durcheinander des Geästs flatterten unter dem grünen Dach Papageien, kreischten Affen, schimpften Vögel, flatterten Schmetterlinge, dösten Schlangen und Faultiere, lauerten Spinnen, schwirrten Insekten; alle trachteten danach, sich gegenseitig umzubringen und zu fressen, oder sich mit raffinierten Methoden zu begatten.

Dieser Baum wucherte als ein Dschungel für sich.

Izu hielt die Augen geschlossen. Er träumte. Zuvor hatte er tüchtig dem Caapi zugesprochen, einem aus speziellem Rindenextrakt hergestellten Tee. Izu braute ihn selbst, mit einigen unkeuschen Zutaten, nach bewährtem Hausrezept, und natürlich auch heilig und geheim; jedenfalls von brachialer halluzinogener und aphrodisierender Wirkung. Mit Hilfe des Caapi hatte Izu sich im Laufe seines langen Lebens nicht nur herausragende Räusche beschert, er hatte mit ausreichend Caapisaft im Leib auch zahlreiche Stammesgenossinnen geschwängert, ohne je in seiner Manneskraft zu ermüden. Er trank das Gebräu ehe er Beginn und Ende von Überfällen und Raubzügen verkündete und er erhob sich mit diesem Gesöff auch zum Herrn der Träume, zum Geisterflüsterer des Stammes. Die Tupanaki fürchteten und verehrten den alten Izu als ihren Geistermann und Stammesältesten. Wie alt mochte er sein? Er sah aus wie eine tausendjährige Mumie. Die Bewohner des großen Waldes sortierten ihr Leben anhand der Katastrophen, die sie erlebten, und sie zählten die Jahre nach den regelmäßigen Frühjahrsfluten. Izu hatte als Knabe das fürchterliche Sterben des Zinunque-Stammes erlebt, als eine ansteckende Seuche ausgebrochen war; er hatte das Hochwasser gesehen, das die Dörfer Yoni und Xama hinweggerissen hatte. Später dann hatte er den Raub der Frauen von Sima erlebt und den Überfall der Yaomi. Das große Buschfeuer am Berg Taori war das letzte große Ereignis gewesen. Er musste also 52 Großfluten alt sein. Außer ihm hatte bei den Tupanaki niemand mehr Ereignisse erlebt. Also musste Izu der Stammesälteste sein. Das war unwiderlegbar!

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