Читать книгу Corona im Kontext: Zur Literaturgeschichte der Pandemie онлайн
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Als erste weltweite „catastrophe that is experienced online“ (Fonseca, Stars 378) aktualisiert die „Skype Pandemic“ (Zoglin 2020) Potential wie Paradoxa digitaler Demokratizität. Zwar wird auch so manches professionelle Corona-Opus – von Fang Fangs Wuhan Diary bis zu Marlene Streeruwitz’ „Covid-19-Roman“ So ist die Welt geworden – zunächst online publiziert; zugleich werden die Exzesse einer „geschwätzigen“ Pandemie (Le Goff 2021: 11f.) beklagt: „Das ist der Nachteil der digitalen Technologie, […] dass jeder zu allem seine Meinung äußern kann, und bevorzugt zu dem, was er nicht kennt“, ironisiert Régis Debray (TC 320). Vor dem Hintergrund einer für Krisenzeiten charakteristischen Expansion des literarischen Feldes (Ribeiro 2020: 388) stellt sich zwischen Verteidigung künstlerischer Autonomie und Revendikation gesellschaftlicher Relevanz die Frage nach Status und Funktion der Literatur mit neuer Virulenz.
„… delight and consolation“? Vom Unbehagen in der Corona-Literatur
Quer durch die Genres frappiert ein gewisses Unbehagen in der Corona-Literatur, samt Kritik einer Instant-Diskursproduktion, die an ebendieser partizipiert. Vorwurfsvoll wird daran erinnert, dass Daniel Defoes die Londoner Pest 1665 dokumentierendes Journal of the Plague Year erst 1722 erscheint; auch Orhan Pamuk hatte bei der Redaktion seines Romans Veba Geceleri („Pestnächte“, 2021) „the good sense to let time do its work“ (Morris 2020). „So gut hätte dieses Buch sein können, wenn der Autor sich Zeit gelassen hätte“, bemerkt Truijens (2020) zu Daan Heerma van Voss’ Coronakronieken; freilich sei deren Aktualität „auch etwas wert“. Mitten aus dem Geschehen heraus erzählt Kike Mateu seine Geschichte als Paciente cero (2020); aus der Position eines auch physisch involvierten „spectateur engagé“ analysiert Le Goff die „grands discours“ einer Société malade (2021: 11). Doch insgesamt dominiert die Skepsis gegenüber einem wohlfeilen „Trend“, so Inga Kuznecova (Tolstov 2020), selbst Autorin eines Corona-Romans. In Naturkatastrophen-Metaphorik wird vor der drohenden „surproduction“ gewarnt, bevor die große „vague“ richtig startet (Gariépy 2020).