Читать книгу Opa, erzähl mir!. Aus dem Dialog zweier Generationen онлайн

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„Als ich zehn Jahre alt war, sah ich meine leibliche Mutter zum ersten Mal, meinen leiblichen Vater habe ich nie kennengelernt. Deshalb wollte ich eine eigene Familie gründen. Das ist mir – uns – ziemlich gut gelungen, wenn auch nicht immer alles reibungslos gelaufen ist. Ja, für seine Familie empfindet man große Liebe – so wahrhaftig diese Liebe ist, so tief kann sie einen auch verwunden. Zu dieser schmerzlichen Einsicht führte uns unsere geliebte Rosmarie, die uns nach zwanzig Monaten bereits verlassen musste. So ist das Leben nun mal. Wer sich damit abfindet, der kann ein gutes Leben führen. Wer sich der Liebe trotzdem nicht verschließt, der kann Zufriedenheit erlangen.“

Kennt man Opas Erzählungen aus seinem Leben, kann man wahrscheinlich nachvollziehen, dass er stolz ist. Diesen Stolz, verbunden mit berührender Dankbarkeit, zeigt er oft und gerade an diesem Tag. Der Stolz beflügelt ihn regelrecht. Es ist nämlich sein neunzigster Geburtstag. Gefeiert von seinen achtundzwanzig engsten Familienmitgliedern (die Feier mit den hundert Bekannten folgt eine Woche darauf) flackert die Jugend erneut in ihm auf: Voller Frohsinn erzählt er Etappen seiner Lebensgeschichte, voller Erfüllung betrachtet er sein Werk. Zusammen mit seiner verstorbenen Ehefrau hat er den Grundstein für eine Großfamilie gelegt, von der er als Kind nur träumen durfte. Großfamilie? Er träumte damals nicht von einer Großfamilie, sondern von einer einfachen Familie, in deren Geborgenheit er Teil der Gesellschaft gewesen wäre. Doch dieser Wunsch blieb ihm verwehrt. Und so schuf er seine eigene Familie. Anfangs wohl unsicher, wie er diese Aufgabe angehen sollte, aber sehr wahrscheinlich bedenkenlos, weil er schon immer ein Mann der Tat und nicht des Zweifels war. Die Aufgabe „Familienvater“ bewältigte er bravourös. Als Autodidakt lehrte er seine Nachkommen das Wichtigste in einer Familie: Zusammenhalt.

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