Читать книгу Opa, erzähl mir!. Aus dem Dialog zweier Generationen онлайн

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An dieser Stelle drängt sich natürlich die Frage auf, wie sehr die Lebensgeschichten einer bestimmten Generation durch eine kollektive Geschichtserzählung geprägt und zum Teil auch verbogen werden. Insofern erstaunt es dann auch nicht sehr, wenn der Großvater als eine seiner schönsten Erfahrungen den Einmarsch der Nationalsozialisten in Südtirol im September 1943 anführt. Auch diesbezüglich würden ihm viele seiner Generation zugestimmt haben – und ebenso zur Aussage, dass es wieder einmal einen Krieg bräuchte. Der Enkel nimmt auch hier eine gewisse Distanz ein, die er zum einen auf sein erworbenes historisches Wissen zurückführt. Zum anderen wird der stille, aber dezidierte Einspruch des Nachbarn Leo, einige Jahre älter als Großvater Arthur, in die Erzählung eingeführt: „Nein. Nein. Einen Krieg braucht es nie mehr!“ Es gibt immer mehrere Perspektiven auf die Vergangenheit.

Immer wieder taucht in diesem intergenerationellen Dialog auch die Großmutter auf, die zu bestimmten Ansichten des Großvaters durchaus andere Meinungen und Einschätzungen äußert. Dass ihre Stimme nur im Hintergrund bleibt, auch das ist Teil des kollektiven Gedächtnisses. Ein Gedächtnis, das den Erinnerungen von Männern tendenziell mehr Gewicht zuweist als jenen von Frauen, weil Erstere ihr Leben eher an politische Ereignisse binden, oft sogar – wie in diesem Fall – es dahinter verstecken. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Frauen selbst ihre Erfahrungen für unwichtig halten. Es braucht mehr Enkelinnen, die die Geschichten ihrer Großmütter für wichtig genug halten, um sie aufzuschreiben.

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