Читать книгу CHANGES. Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit онлайн
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CP:Heute noch?
WK:Die großen alten Bäume sind mit Metallsplittern aus dem Zweiten Weltkrieg gespickt, sie beschädigen das Sägeblatt, wenn man das Holz bearbeitet. Die deutsche Geschichte ist lebendig, sie steckt in den Wunden der Bäume, die nicht heilen wollen. Fast wie die Wunde von Amfortas: Noch 300 Jahre lang wird der Krieg in den Bäumen stecken.
CP:Im Martin-Gropius-Bau ist auch Ihre Rauminstallation The Refusal of Time zu sehen. Metronome, Uhren, das Zählen der Bilder bei Ihren Filmen: Was haben Sie im Lauf der Jahre über die Zeit herausgefunden?
WK:Am Ende geht es um Schicksal, weil das Leben endlich ist. Auch darum, was wir gern ungeschehen machen würden, die Dinge, die wir lieber nicht gesagt, die Mails, die wir lieber nicht verschickt hätten. Alles mündet in einem schwarzen Loch, alle Bilder, alles Leben, die Zeit selbst wird verschlungen. Der Sarg, in dem wir enden, ist das Urbild dieses schwarzen Lochs. Bleibt etwas von der Seele? Damit befasst sich die Stringtheorie, aber auch die Wissenschaftler*innen sind Poet*innen, die den Gedanken nicht ertragen, dass nichts bleibt.