Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

18 страница из 203

Auf einem so langen Weg hat der Autor uns in die eigene Zeit geführt, deren Wirklichkeitsdarstellung er an Stellen aus Virgina WoolfsWoolf, V. Roman To the Lighthouse und aus Marcel ProustProust, M. untersucht. Daß alles, was hier gesagt wird, durch das Medium eines spiegelnden Bewußtseins wieder erscheint, eines vielfältigen Bewußtseins, das sich frei in die Tiefe der Zeit bewegt, dies erscheint ihm als das Charakteristikum der Moderne, in der ein neues Ganzes sich bilden könnte und hinter deren Theorie und Kraft der Gestaltung ein differenziertes Gefühl für die Wirklichkeit steht, etwas Neues und Elementares, das sie über die Grenzen der frühen Literatur hinausführt: «… die Wirklichkeitsfülle und Lebenstiefe jedes Augenblicks, dem man sich absichtslos hingibt.»

Wie die einzelnen Kapitel der Mimesis und der Literatursprache, so haben auch die miteinander verbundenen Aufsätze ihren Einheitspunkt in der Entwicklung jenes perspektivischen Historismus, dessen Einwirkung Auerbach erfahren und den er – MeineckesMeinecke, F. Historismusbuch ergänzend – in der Interpretation der abendländischen Literatur neu zu begründen versucht hat. Verschiedene neue Prinzipien sind in dieser Interpretation erfaßt: die Verbindung der antiken und der modernen Literatur durch einen einmütigen Zusammenhang, Kombination der stilkritischen Analyse mit der soziologischen, Erschließung der Einheit der Wirklichkeitsauffassung in der Breite einer Periode und im Sinn des Verlaufs der geschichtlichen Entwicklung, so daß jede einzelne Erscheinung zugleich in ihrer Zeit und in ihrer Bedeutung als einem Moment im Ganzen des universalhistorischen Zusammenhangs verstanden werden konnte. Und nicht zuletzt die stets fühlbare Wechselwirkung des Interpreten zum geistigen und politischen Leben der eigenen Zeit, in der alle Grundsätze, ja die Zukunft Europas selber ins Wanken geraten sind. Daß der Einheit eines geschlossenen Systems manche Opfer gebracht werden mußten, daß manche Epochen und Literaturen – wie die deutsche des 17. Jahrhunderts, die englische, die spanische, die russische – übergangen oder nur streifend berührt werden konnten, kann bei einem Werk, das so weite Räume und Zeiten umspannt und so viele bewunderungswürdige Blicke enthält, nicht überraschen. Denn stand die Methode mit vielen verwandten Prinzipien der Soziologie10 in Verbindung, so hat der Wirklichkeitsbegriff nicht die Geschlossenheit, die ihm mit allen Tatsachen die Geschichte in überzeugenden Einklang setzen könnte. – Und nach Auerbachs Begriff der Geschichte fällt schließlich der Schwerpunkt derselben in jene Darstellung, die das Leben unmittelbar auf die gesellschaftlich-ökonomische politische Wirklichkeit bezieht, die im 19. Jahrhundert zur Geltung kam. Die Macht ihrer Energie, ihre Beherrschung des zeitgenössischen Daseins bewegt ihn so sehr, daß das Verhältnis des Lesers zur Moderne in solchem Grade angeregt wird, daß andere Epochen in eine historische Ferne treten, als ob auch ihre Zeit und Umgebung dem Maßstab der Gegenwart unterworfen seien. Aber die gestaltende Macht des Don Quijote, der jede Bedingtheit der Person durch Zeit oder Milieu ironisiert,11 die ekstatische Form spanischer MystikMystik, der glänzende Ausbau des goldenen Zeitalters in Spanien ist durch andere, entgegengesetzte Auffassungen von Wirklichkeit bedingt. Jedoch ihre Bedeutung, ihr mächtiges Wachstum gehörten nicht neben die Konfiguration der Entwicklung von Mimesis, die in der Beschreibung der Verzweigung und Wechselwirkung vieler geistiger Bewegungen anmuten kann wie die reiche Bewegung des handelnden Lebens selbst.

Правообладателям