Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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Der entsprechende Teil des französischen Textes aus dem Manuskript von Clermont-Ferrand lautet folgendermaßen:5

Ja fud tels om, Deu inimix

Qui l’encusat ab Chielpering.

L’ira fud granz cum de senior

Et sancz Lethgiers oc s’ent pavor.

Ja lo sot bien, il lo celat,

A nuil omne no·l demonstrat.

Quant ciel’ irae tels esdevent

Paschas furent in eps cel di;

Et sancz Lethgiers fist son mistier,

Missae cantat, fist lo mul ben,

Pobl’ et lo rei communiet,

Et sens cumgier si s’en ralet.

Reis Chielperics, cum il l’audit,

Presdra sos meis, a lui·s transmist;

Cio li mandat que revenist,

Sa gratia por tot ouist.

E sancz Lethgiers ne’s soth mesfait;

Cum vit les meis, a lui ralat.

Il cio li dist et adunat:

«Tos consiliers ja non estrai.

Meu evesquet ne·m lez tener

Por te qui sempre·m vols aver.

En u monstrier me laisse intrer,

Pos ci non posc, lai vol ester.»

Enviz lo fist, non voluntiers,

Laisse l’intrar in u mostier.

Hier ist der Reduktionsprozeß aufs äußerste fortgeschritten. Der Versuch, die Vorgänge politisch oder psychologisch verständlich zu machen, wird gar nicht unternommen. Ganz schematisch und sehr oft gar nicht begründet, stehen die Dinge wie Kloben nebeneinander, jedes in einer Zeile; sie sind auf eine gewisse grobe Art sehr deutlich, sogar überdeutlich, da ja solche schematischen Vorstelschon delungen wie Verleumdung, Zorn, Furcht, heimliche Flucht und so fort dem Verständnis ohne weiteres zugänglich sind. Aber die menschliche Eigentümlichkeit, die Genauigkeit des bestimmten Verlaufs, den die wirklich geschehenen Dinge einmal genommen haben, und der sie, wenn er zur Darstellung gelangt, einsichtig macht, ist verlorengegangen. Die Leute, die Leodegar bei Childerich verklagt hatten, beschreibt Ursinus immerhin noch als sodales sui quos secum elegerat idem pontifex habere socios gubernaculi. Das gibt zwar schon nicht mehr die Begründung ihres Vorgehens gegen Leodegar, aber ist doch unvergleichlich weniger barbarisch als tels om Deu inimix; bei dieser Formulierung wird offenbar an den Teufel selbst gedacht, den Ursinus, rhetorisch und moralisierend, vorher als Anstifter erwähnt hatte. Die dann folgende Darstellung des Ursinus enthält den gemeinsamen Gang zur Kirche, die Warnung an LeodegarLeodegarlied, die feierliche Messe, so daß eine vergleichsweise deutliche und dramatische Entwicklung entsteht; er schildert alsdann die Krise, die zur Flucht führt, mit den Motiven, Beratungen und Entschlüssen des Bischofs. Das ist menschlich und einsichtig, auch wenn Ursinus hier nach Mustern (Johannes Chrysostomus in der Historia Tripartita?) gearbeitet haben sollte. Diese ganze Darstellung hat der französische Dichter völlig zerschlagen; er nimmt sich ein paar Fetzen daraus und ordnet sie auf das roheste. Auf die Verleumdung durch den «Feind Gottes» folgt der «herrenmäßige» Zorn Childerichs; Leodegar hat Angst; er verschweigt, was er weiß; es war gerade Ostern; er feiert die Messe, er tut es sehr gut; er spendet Volk und König das Abendmahl; dann verschwindet er ohne Abschied. Man kann es nicht gröber und schematischer ausdrücken. In den folgenden beiden Strophen geschieht etwas Unerwartetes. Wir sagten schon, daß Ursinus dem König Childerich eine vergleichsweise gute Rolle zugewiesen hat; er läßt ihn bereuen und deutet an, er habe den Bischof in freundlicher Absicht zurückholen lassen. Dies wenig wahrscheinliche und durch andere Berichte dementierte Motiv hat der französische Bearbeiter viel stärker betont. Der König läßt durch seine Boten dem Bischof seine volle Gunst versprechen; und Leodegar spielt die Rolle des unschuldig Beleidigten, der dem reuigen König gegenüber entschieden und beinahe trotzig auftritt; er will nicht länger sein Berater bleiben, er will ins Kloster, er habe in seinem Bistum doch keine Ruhe vor dem König, der ihn ständig für sich beanspruche. Nur ungern willigt der König ein und entläßt ihn.

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