Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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Über das Persönliche in der Wirkung des heiligen Franz von Assisi (1927)Franz v. Assisi

Facta est proinde in eo et per eum

insperata exsultatio … 1. CEL. 89

GörresGörres, J. v. hat vor nunmehr hundert Jahren Franziskus den Troubadour gefeiert, und seit ThodeThode, H. und SabatierSabatier, P. ist es allgemein geworden, in diesem ganz unliterarischen und anspruchslosen Heiligen einen Schöpfer des komplizierten Gebildes der RenaissanceRenaissance, einen Urahn modernen Empfindens zu sehn. Als repräsentativ, wenn auch in engerem Sinne, haben ihn schon die Zeitgenossen betrachtet, und es ist merkwürdig genug, wie ihn SalimbeneSalimbene dem EzzelinEzzelin gegenüberstellt, dem Vikar Kaiser Friedrichs II.,Friedrich II. (Kaiser) den Jakob BurckhardtBurckhardt, J. als das Vorbild seiner antikischen Renaissancetyrannen ansah – credo certissime, sagt Salimbene, quod sicut Deus voluit habere unum specialem amicum quem similem sibi faceret, scilicet beatum Franciscum, sic diabolus Ycilinum.1 Es spricht ein inneres Gefühl für die Wahrheit der Auffassung, daß der Heilige weit über den Rahmen des Kirchlichen hinaus auf die Nachfolgenden gewirkt hat, allein Nachweis und Formulierung sind schwer, sobald man über das leicht greifbare Kunsthistorische hinaus die Gesinnung aufspüren will, die unsere Bildung ihm verdankt. In den Sätzen, die man häufig hört und liest – er habe ein unmittelbares, dichterisches, nicht mehr allegorisches Naturgefühl besessen – oder er sei, als Gottsucher auf eigene Faust, den Vorläufern der Reformation zuzurechnen – oder er habe zuerst das Recht der Armen verteidigt – in diesen Sätzen liegt wohl etwas Wahres verborgen, aber sehr verborgen, und darüber spreizt sich eine moderne, romantisierende Gefühlsschablone. Es ist überhaupt hier nichts anzufangen, wenn man unmittelbar auf Ideengeschichte oder Literaturentwicklung aus ist. Eine rational zu erfassende, irgendwie systematische geistige Gesinnung hat der Heilige nicht besessen. Er war weder ein eschatologischer Schriftausdeuternoch ein theoretischer Schulmeister des irdischen Daseins, und darin gerade lag seine Kraft. Schon die Spiritualen haben den ungeheuren Irrtum begangen, sich an das Wort zu klammern, und über dem Kampf um den usus pauper und die Besitzlosigkeit Christi das Hauptgebot: sint minores et subditi omnibus zu vergessen. Noch heute begeht eine analytisch gerichtete Zeit oft einen ähnlichen Irrtum; wenn sie diesen einmaligen Menschen einem geistesgeschichtlichen Schema einordnen will, in das vielleicht manches seiner Worte, aber nicht ihr Geist hineinpaßt.

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