Читать книгу "... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!". Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben онлайн

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Was Brahms im Sommer 1853 drei Wochen lang in Weimar erleben sollte, hatten die Schumanns schon hinter sich: Die Begegnung und Auseinandersetzung mit Liszt. Robert Schumann pflegte einige Jahre lang ein von respektvoller Anerkennung getragenes Verhältnis zu Liszt, zumal beide in Zeitungsbeiträgen Wohlwollendes übereinander schrieben. Doch die Kollegialität wich zunehmender Distanz. »Aber Klärchen, diese Welt ist meine nicht mehr, ich meine seine«, schrieb Robert Schumann an seine Braut. »Die Kunst, wie Du sie übst, wie ich auch oft am Clavier beim Componieren, diese schöne Gemütlichkeit geb’ ich doch nicht hin für all seine Pracht.«54 Der hier verwendete bürgerliche Begriff des »Gemütlichen« wurde zu diesem Zeitpunkt noch als ausgesprochen positiv empfunden: Im 18. Jahrhundert verband man ihn mit Herzenswärme, später mit Menschlichkeit, Besinnung, Innigkeit, Konzentration, Hingabe, Privatheit. Verglichen mit Clara Schumanns subtilen Interpretationen waren Liszts Darbietungen selbst in den kleinsten Kammern öffentliche Spektakel. Dass »Liszts Vorbild und Unterweisung auf dem Gebiet der rein technischen Seite des Klavierspiels außerordentlich fördernd sein musste, versteht sich von selbst«, konstatierte der Komponist Ernst Rudorff. »Um die Bildung des Anschlags scheint er sich weniger bemüht zu haben.« Das »Rüstzeug«, um »aufzufallen und geistreich zu erscheinen«, bestand laut Rudorff »in unmotivierten Temporückungen, in Übertreibungen der Stärkegrade nach oben und unten hin, Übertreibungen der Kontraste sowohl in dynamischer wie in rhythmischer Beziehung, ungebührlicher Anwendung der Verschiebung und ähnlichen Dingen«. Nach seiner Auffassung hat Liszt »eine Schule der Willkür, der Affektation, der effektvollen Pose hinterlassen, der es leider gelungen ist, Boden im Überfluss zu gewinnen«.55 Clara und Johannes konnten überaus aggressiv reagieren auf Entwicklungen im Konzertleben, die ihrer Meinung nach den Ereignischarakter überbetonten und den Gehalt von Kunst vernachlässigten. Einmal meinte Brahms zu Clara Schumann, »das ganze Wien wird einem immer gemütlicher«, aber »die Menschen und gar die Künstler immer widerlicher, die Art, wie sie sich zum Publikum und zur Kritik stellen, vor ihm spielen und von ihm abhängen, nimmt einem alle Luft, als Kollege den Schwindel mitzumachen«.56 Auch Clara zeigte ihm viel »Unerquickliches« an: »So wie Du neulich auch von Wien schriebst, ist es überall. Die Unverschämtheit mancher Künstler geht ins Unglaubliche, so z. B. hier die eines Herrn Dr. Satter – solche Reklame war in Deutschland noch nie da, und – gelitten!!! Gehört habe ich den Zeitungshelden nicht, ich mag solche Klavierspieler gar nicht hören!«57

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