Читать книгу "... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!". Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben онлайн

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Künstler wie Johannes Brahms, Clara und Robert Schumann sowie Joseph Joachim bildeten dazu einen Gegenpol. Franz Liszt hätte sie nur allzu gerne für seine Anliegen gewonnen: Wir sind die Speerspitze der Moderne, suggerierte er, wir haben die künstlerischen und intellektuellen Fähigkeiten, die Geisteszwerge und die Gegenwart zu dominieren. Zum Teufel mit dem Gestrigen – wir sind das Jetzt und die Zukunft! Schließt Euch uns an!! Seine Einflüsterungen boten verlockende Aussichten: Ist Musik wie Schumanns poetische Klavierwerke und Joachims literarisch geprägte Konzertouvertüren nicht die unsrige? Und war Roberts d-Moll-Sinfonie nicht verkannt worden? Welcher Zukunftsmusiker wäre nicht verkannt gewesen …

Es gab durchaus Überschneidungspunkte. Clara und Johannes engagierten sich für das Werk Robert Schumanns, das zumindest teilweise zeitgenössische Musik im Sinne von Liszts damaliger Haltung darstellte. Zudem lagen ihnen Kunst und Kultur aus deutschsprachigen Ländern am Herzen. Und Liszt stürzte sich in den 1850er-Jahren voller Verve in ein Projekt, bei dem genau diese im Mittelpunkt standen. Dafür erschien ihm Weimar als der geeignete Ort, denn die im thüringischen Becken gelegene Stadt galt dem Musiker und seiner Fürstin als das geistige Zentrum Mitteleuropas. Im nur achtzig Kilometer westlich gelegenen Eisenach hatte auf der Wartburg nicht nur Luther die Bibel übersetzt, dort spielt auch Wagners Oper Tannhäuser (die Liszt in seiner Eröffnungsspielzeit in Weimar ins Programm nahm). Zudem hatte Moritz von Schwind 1854/55 eine Reihe neuer Fresken im Palas der Wartburg geschaffen, die Momente aus der thüringischen Geschichte zeigen, insbesondere ikonische Szenen aus dem Leben der Heiligen Elisabeth sowie den »Sängerkrieg«. Auf Initiative des Deutschritterordens war Elisabeth von Thüringen kanonisiert worden und schon bald sollte Liszt beginnen, mit seiner Legende von der Heiligen Elisabeth eine verklärende Kantate über sie zu schreiben. Der Ungar streckte – wie der Orden und die katholische Kirche – seine Fühler überallhin aus. Kurz vor seinem Amtsantritt versicherte er, »bescheiden meine Bestrebungen an Weymars ruhmreiche Überlieferung anzuknüpfen«.58 Damit reihte er sich – ein willkommener Nebeneffekt – in eine glorreiche Tradition ein: Zwei Jahrzehnte nach Goethes Ableben sah man es als dringend erforderlich an, sein Wirken sowie jenes von Schiller, Herder und Wieland weiterzuführen. Eine geplante Nationalstiftung der Künste sollte die finanziellen und konzeptionellen Grundlagen liefern. Dass ein ungarischer Komponist, eine in der Ukraine geborene Fürstin und die russische Zarentochter Maria Pawlowna Romanowa als Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach sich für die deutsche Kultur einsetzten, erklärt sich durch die gewaltige Wertschätzung, die diese genoss. Deutschland »liegt in der Mitte Europas«, hieß es in einer 1851 in der ostthüringischen Residenzstadt Altenburg erschienenen Enzyklopädie. »Macht man für Europa als Charakter die Mäßigung, Vermittlung u. Vielseitigkeit geltend, so erscheint D. in allen Verhältnissen als der eigentliche Repräsentant Europas.«59 Der Mitherausgeber Heinrich August Pierer war 1813 an der Völkerschlacht bei Leipzig und 1815 an der Schlacht bei Waterloo beteiligt, um Europa von dem napoleonischen Terror zu befreien. Seine Generation beschwor die Idee eines geeinten Deutschlands, lange bevor es ein solches Staatsgebilde wurde. Dies waren Ideale, die auch die Schumanns und Brahms teilten.

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