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Man sagt, der allgemeine Schönheitssinn der Griechen sei vorzüglich durch den täglichen Anblick der Tempel und Kunstwerke auf allen öffentlichen Plätzen geweckt und genährt worden. Mit noch größerem Rechte darf man behaupten, daß die ernste und strenge Schönheit unserer Heimat einen ähnlichen Zauber auf ihre Bewohner ausgeübt hat; dieses von Gebirgen, kräftigen Strömen und grünen Tälern durchzogene Land mit seinen Felsentrümmern und geheimnisvollem Quellenrauschen, wo, nach der Beschreibung des älteren Plinius, »tausendjährige Eichen mit gegeneinander strebenden, ineinander verschlungenen Wurzeln und Ästen, hohe Schwibbögen, Gänge und Gestalten bilden, sonderbar ähnlich den kühnen Gebäuden der Menschenkunst, nur größer, lebendiger und freier, wie zu einem Riesentempel der Natur erhoben«. Daher bauten die germanischen Völker nur wenige Städte, sondern wählten ihren Wohnsitz, ohne Rücksicht auf gemeines Bedürfnis, am liebsten auf freien Höhen oder in einsamen Tälern. Daher das tiefe Naturgefühl, das in Deutschland alle Wandelungen der Jahrhunderte überlebt hat, und noch bis heut, wie ein erfrischender Waldeshauch, auch unsere Poesie, wenn wir etwa den wesentlich germanischen Shakespeare ausnehmen, von der Poesie aller anderen Nationen unterscheidet.

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