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Das deutsche Volk ist irgendwo mit Recht der Riese Christophorus genannt worden, der das Christkind durch die Fluten einer wildempörten Zeit getragen. Denn allerdings hatten die südlichen Nationen schon lange vor den Deutschen sich zum Christentum bekannt; allein im byzantinischen Kaisertum war dasselbe in eine zweideutige, den weltlichen Staatsinteressen dienstbare Hofsache umgeschlagen, und in Rom hatte teils das ungeheure Gemisch der verschiedensten Nationalitäten und Religionen, teils die Anstrengung der Gelehrten, die alte Mythologie durch den Neuplatonismus philosophisch umzudeuten und wieder zu beleben, einen vielfach störenden und zersetzenden Einfluß ausgeübt. Man darf daher wohl behaupten, daß erst die jugendfrische und tiefere Auffassung der germanischen Völker das Christentum in Europa wirklich einheimisch gemacht hat.

Indem aber das Christentum den Blick von den geheimnisvollen Naturkräften zu dem Urgrund alles Creatürlichen, von der Sinnenwelt zum Übersinnlichen wandte, mußte es notwendig überall eine totale Umwandlung der Lebensansicht und Gesammtbildung und somit auch ihres poetischen Ausdrucks herbeiführen. Dies konnte jedoch grade bei einem so treu und ernst gestimmten Volke, wie das deutsche, nicht plötzlich und nicht ohne bedeutende Kämpfe geschehen. So rang im nordöstlichen Deutschland das nationale Heidentum noch lange und hartnäckig mit Karl dem Großen und endete nur mit der völligen Unterjochung der Sachsen. Eben so entzündete sich in England ein ähnlicher Kampf zwischen den eingewanderten heidnischen Angelsachsen und dem christlichen Celtenkönig Artus, den nachher die christliche Ritterdichtung sagenhaft verklärt hat. Und da nun die alte Odinslehre vom deutschen Boden vertrieben war, flüchtete sie zu den gotischen Stämmen in Schweden, wo sie noch lange die bedeutsame Gestalt bewahrte, wie sie uns in der isländischen Edda erhalten worden.

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