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Erhalten hat sich von den Goten nur ein einziges schriftliches Denkmal, das aber von dem majestätischen Klange, dem Reichtum, Wohllaut und strengem Bau ihrer Sprache ein überraschendes Zeugnis gibt. Es ist dies die vom gotischen Bischof Ulfila verfaßte Übersetzung der vier Evangelien. Die im 16. Jahrhundert aufgefundene und später in Prag aufbewahrte Handschrift wurde am Schluß des Dreißigjährigen Krieges von den Schweden entführt und befindet sich gegenwärtig in Upsala; während erst im Jahre 1818 durch den Kardinal Mai auch noch die Briefe des Apostels Paulus in Ulfilas Übersetzung im lombardischen Kloster Bobbio entdeckt worden sind. Von Dichtungen aber besitzen wir aus der ältesten Zeit überhaupt, d.i. aus dem 8. oder 9. Jahrhundert, nur noch drei in ihrer damaligen Gestalt: das Hildebrandlied, den Walter von Aquitanien und den Beowulf.

Das Hildebrandlied bekundet auf eine merkwürdige Weise den vorhin behaupteten Zusammenhang der uralten und spätern Sagenwelt, indem es den Inhalt des, also schon damals alten, Nibelungenliedes zum Hintergrunde hat. Denn Hildebrand ist der Waffenmeister Dietrichs von Bern (des Gotenkönigs Theodorich), mit dem er nach der furchtbaren Schlußkatastrophe der Nibelungen vom Hofe Etzels (des Hunnenkönigs Attila) in seine Heimat zurückkehrt. Hier hatte er vor dreißig Jahren seinen Sohn Hadubrand verlassen, der nun selbst seitdem zum Helden herangewachsen ist und dem Vater, den er nicht kennt, den Eingang verwehrt. Vergebens erzählt dieser ihm seine Geschichte, der mißtrauische und trotzige Sohn ist nicht zu überzeugen. Da ruft Hildebrand: »Weh, waltender Gott, jetzt kommt das Wehgeschick! Sechzig Sommer und Winter bin ich außer Landes gewallet, und nun soll mich mein Kind mit dem Schwerte hauen oder ich zum Mörder an ihm werden!« Aber es wäre unerhörte Feigheit, den Sohn vom Kampfe abzuhalten, nach dem ihm so gelüstet. Und so kämpfen sie miteinander auf Tod und Leben. – Man sieht, das ist noch wesentlich heidnische Tugend. Und dieselbe wildfremde Urgebirgsluft weht uns auch aus den beiden andern oben erwähnten Dichtungen an: wie dort Walter von Aquitanien, dem man die aus dem Hunnenlande entführte Braut und Schätze rauben will, in einem Engpasse der Vogesen mit zwölf Helden, und unter ihnen auch mit dem schrecklichen Hagen von Troni, kämpfen muß, wie sie einander Auge, Fuß und Hand abhauen und dann beim Friedensmahle über das Grauenvolle heiter scherzen; während in dem angelsächsischen Beowulf dieser heldenhafte Jütenkönig mit dem Seeungeheuer Grendel und dessen Mutter ficht, und dann in einem mörderischen Kampfe mit einem Drachen seinen Tod findet.

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