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So ging das Rittertum, dessen eigentliches Symbol das Kreuzesschwert ist, vorzüglich von Frankreich Über ganz Europa aus, aber nicht von den Franzosen, sondern von den in Frankreich angesiedelten Normannen. Jene höhere Weihe des Rittertums aber in seinen allgemeinen großen Umrissen manifestierte sich in zwei welthistorischen Erscheinungen, in den Kreuzzügen und in den geistlichen Ritterorden, und am glänzendsten und dauerndsten in Spanien, wo in dem beständigen Kampfe gegen die Mauren eigentlich die ganze Nation ein einziger geistlicher Ritterorden war. Und dieser wesentlich tragische Doppelgeist des Rittertums, die gewaltige Naturkraft und die freiwillige Demütigung vor einem Höheren, mit einem Wort: das durch das Christentum verklärte Heldenleben ist denn auch der eigentliche Gegenstand der Poesie des Mittelalters, die fortan jeden weltlichen Kampf mehr oder minder zum Kreuzzuge gestaltet.

Alle Poesie nimmt ihren Ursprung aus der Sage. In der Sage aber sind die produktiven Seelenkräfte eines Volkes, Verstand, Phantasie und Gefühl, alle Blüte künftiger Bildung, wie ein Märchen, noch ungetrennt in einer gemeinsamen Knospe, wunderbar verhüllt und abgeschlossen. Die Sage wird, wie ein Naturprodukt, nicht erfunden, sie ist nur der innerliche Reflex der Erlebnisse eines Volkes, ihre Lapidarschrift sind die Taten dieses Volkes, welches sie poetisch nachträumt. Die Sage ist also ganz objektiv und führt daher einerseits zur Geschichte, die noch halb erdichtet, und andrerseits zum Epos, das noch halb historisch ist. Und gleich wie in der Sage auch die Götter- und die Heldenwelt noch nicht voneinander geschieden sind, so wiederholt sich derselbe Organismus auch im Epos; und in dem ältesten nordischen Heldengedichte, in der Edda, erscheint Odin zugleich als Gott, König, Held und Seher.

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