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Derselbe Geist hat auch das Rittertum geschaffen, auf dem die christliche Poesie des Mittelalters ruft. In gleichem Sinne, wie einst Schlegel die altdeutsche Baukunst eine versteinerte Musik genannt, könnte man das Rittertum die Musik des Heldenlebens nennen, die starre Memnonsäule heidnischer Jugend, die, vom Morgenrot des Christentums berührt, melodischen Klang gab. Der altgermanische Heldensinn hatte sich vor der wachsenden Zivilisation auf die natürlichen Felsenburgen Skandinaviens zurückgezogen und nachdem er dort in der Einsamkeit der freien Gebirge sich neu gestählt, seinen bewaffneten Weltgang angetreten. Als geborene Seekönige umschifften die kühnen Normannen alle Küsten von Norwegen und Island bis nach Italien und Sizilien, überall die schönsten Provinzen Europas sich erobernd, weniger aus Bedürfnis als aus romantischer Lust an Kampf, Gefahr und Abenteuer. Hier nahmen sie indes sehr bald mit aller Herzensfreudigkeit der Jugend das Christentum auf, und das Christentum vergeistigte ihnen dafür das ganze Heldenleben. Denn das altheidnische Heldenleben beruhte im Grunde doch nur auf materiellem Egoismus, auf der Freiheit und Verherrlichung der menschlichen Leidenschaften, der unbedingten Selbsthülfe, der Geschlechtsliebe und der Rache, die jederzeit blutdürstig ist; ein Zustand, der lediglich durch das Riesenhafte der Naturgewalt groß wird und erschüttert, wie Sturm, Gewitter oder Meeresbrandung. Das alles aber verwandelte nun das Christentum, ohne es abzuschwächen, indem es das Heldenleben nur anders motivierte, vorzüglich durch die tiefere Bedeutung, die es der Liebe und der Ehre gab. Die irdische Liebe verklärte sich in dem Bilde der heiligen Jungfrau, deren Himmelsglanz auf die irdischen Frauen zurückstrahlte und den ritterlichen Frauendienst durchaus mystisch gemacht hat. Ebenso wurde die Ehre eine moralische Macht, indem die Kraft und Tapferkeit nicht mehr um materiellen Gewinn oder Weltlob, sondern opferfreudig auf dem Felsen der Armut nur um Gottes willen kämpfen sollte; und Roland, obgleich bei Roncesvalles besiegt und getötet, ward dennoch als Sieger gefeiert, weil er für den Glauben gefallen. Es war eine allgemeine Idealisierung des gesamten Lebens, das sich kühn ein höheres Ziel gesteckt hatte.

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