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Der eigentliche Hauptinhalt dieses ganzen Fabelkreises aber ist zusammengefaßt in dem Nibelungen-Epos, das in seiner frühesten, verlorengegangenen Gestalt wahrscheinlich zu den von Karl dem Großen gesammelten Heldenliedern gehörte. Und an diesem wunderbaren Gedicht läßt sich auch der allmähliche Übergang vom Heidnischen zum Christentum, wenngleich nirgends ausdrücklich und absichtlich ausgesprochen, selbst in seiner gegenwärtigen Fassung noch deutlich erkennen. Dieselben Gestalten nämlich, die wir in den vorhin erwähnten zerstreuten Heldenliedern wie einzelne Felsenkuppen hervorragen sahen, Siegfried, Dietrich von Bern, Kriemhild und Brunhilde, finden wir auch im Nibelungenliede wieder, welches jenen altheidnischen Heimatsboden, auf dem es ruht, noch überall stillschweigend als wohlbekannt voraussetzt. Die Verteidigung und Verherrlichung des Christentums ist noch nicht die ausschließliche Aufgabe des Heldenlebens, die christlichen Helden verkehren noch als getreue Waffengenossen am Hofe des heidnischen Königs Etzel, »der jedem nach seinen Taten lohnt«. Aber die Physiognomie der Helden, der Gegend und Kämpfe, die ganze unsichtbare Atmosphäre, ist bereits wesentlich eine andere geworden. So hat der Dietrich der alten Sage noch durchaus etwas Elementarisches, z.B. in dem grausenhaften Kampfe mit Ecke, oder wenn er, vom Zwergkönig Laurin in einer unterirdischen Höhle gefangen, durch seinen zornigen Feueratem Fels und Bande sprengt und endlich im Tode von Geistern in eine unbekannte Wüste entführt wird. Vollkommen mythisch, ja siderisch, erscheint dort auch der ursprüngliche sagenhafte Siegfried als leuchtender Frühlingsgott, der auf prächtiger, aber kurzer Heldenfahrt alle schlummernden oder gebundenen Kräfte von den Ungeheuern und finstern Mächten der alten Nacht befreit; und seine furchtbar schöne Erdenbraut Brunhilde als eine von einem Flammenwalle eingeschlossene Walküre.

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