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Man fühlt schon bei oberflächlicher Vergleichung, das ist derselbe Abgrund, den auch das Nibelungenlied vor uns auftut und aus dem besonders der grimme Hagen noch als starre Felsenzacke hervorragt; nur daß hier schon einzelne Streiflichter des Christentums wie Blitze einer Gewitternacht, alles anders, fast gespensterhaft beleuchten. Die wilde Blutgier, womit z.B. der hürnin Siegfried in seinem Kampfe mit dem Riesen dessen klaffende Wunden mit den Händen auseinanderreißt, ist hier schon an die furchtbare Tugend einer unerschütterlichen Treue geknüpft in dem finstern Hagen, der den Siegfried und seine liebsten Waffengenossen erschlägt, bloß weil er Brunhildens Dienstmann ist. Der schöne Siegfried selbst tritt aus seiner Götterdämmerung, die Walküre Brunhild aus den Lohen ihres Feuerwalles in die menschliche Heldenwelt hervor. Mit einem Wort: die Drachen, Lindwürmer und alle Schrecken der alten Naturgewalten verwandeln sich hier in das Dämonische in der Menschenbrust; aber alles, Tugend, Haß, Eifersucht und Rache, ist noch ungeheuer und riesenhaft, und deutet, wie mit blutigem Finger, auf seinen Ursprung zurück. Und eben an dieser noch ungebändigten Naturkraft, dem hereinbrechenden Christentum gegenüber, geht in der erschütternden Schlußkatastrophe, die vom Anfang an wie ein langsam steigendes Gewitter drohend über allen hängt, das ganze Heldengeschlecht unter, gleichsam der Zusammensturz der alten Heidenwelt. Es ist ein wahrhaftes Weltdrama, die großartigste Tragödie, welche die deutsche, ja die europäische Literatur überhaupt aufzuweisen hat.

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