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Zu diesem ersten großen Sagenkreise – wenn wir, wie billig, nicht die dabei beteiligten Volksstämme, sondern Stoff und Geist allein in Betracht ziehen – müssen endlich auch noch König Rother, die Rabenschlacht (Ravennaschlacht), eine versuchte Nachahmung des Nibelungenliedes, sowie Otnit, Hug- und Wolfdietrich und der Rosengarten, auf den wir weiterhin noch einmal zurückkommen, gerechnet werden. Die drei letzteren Gedichte, nebst dem schon oben erwähnten Laurin, bilden das sogenannte Heldenbuch, wo die Recken bereits allmählich von ihren Bergen in die Studierstube herabsteigen und zu Buch gebracht werden. Hier ist nicht mehr das Abenteuer um des Helden willen, sondern der Held um der willkürlichen Abenteuer willen, und immer ferner und verworrener schon verklingt das alte Heldenlied, um endlich in vielfachen Umarbeitungen bis zum Bänkelsängertone herabzusinken.

Der zweite, Karolingische, Sagenkreis führt uns bereits völlig aus dem streng Volksmäßigen zur Kunstdichtung und auf das eigentlich romantische Gebiet. Wir haben schon oben angegeben, was wir und unsere Zeitgenossen allgemein unter romantisch verstehen, müssen uns aber, um Verwirrung und Mißverständnisse zu vermeiden, hier zunächst gegen eine gelehrte Neuerung verwahren, wonach nur das ursprünglich Romanische romantisch genannt werden soll. Es kann uns im Grunde ziemlich gleichgültig sein, woher wir das Romantische überkommen haben; es ist jedenfalls ein ganz eigentümlicher, vom klassischen Altertum wie von der nordisch-heidnischen Weltanschauung verschiedener Geist, der vorzüglich in Deutschland Aufnahme und Vertiefung erhalten hat und also wesentlich deutsch ist. Romanisch kann diese Erscheinung, trotz der verführerischen Klangähnlichkeit, schon darum nicht genannt werden, weil grade die romanischen Franzosen und Italiener sich am wenigsten dabei beteiligt haben, dieselbe vielmehr durch germanische Völker, durch die Goten in Italien und Spanien und durch die Normannen in Frankreich, ins Leben gerufen worden ist. Christlich wäre ohne Zweifel die angemessenste Bezeichnung dafür, wenn sie nicht zu allgemein wäre, indem wir, zumal in der neueren Zeit, eine Menge christlicher, ja geistlicher Gedichte besitzen, die nichts weniger als romantisch sind. Wir sehen daher, der Name romantisch mag nun alt oder von den Schlegels erfunden sein, überall keinen vernünftigen Grund, von einer Bezeichnung abzuweichen, die einmal ins Volksbewußtsein gedrungen und deren angebliche Unklarheit und Nebelhaftigkeit hier am wenigsten störend ist, da ja das Romantische selbst, nach allen Seiten ins Unendliche auslaufend, sich nirgend in feste und bestimmte Begriffsgrenzen einhegen läßt.

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