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Auch dieser Sagenkreis aber ging, und zwar früher und rascher als die anderen, seinem Verfall entgegen. Die Kreuzzüge, die ihn hervorgerufen, haben ihn auch verdorben. Alle fremdartigen Zaubereien, Märchen und Fabeln des Orients zogen in die einfachen Geschichten von Karl dem Großen überwältigend ein und verwandelten sie allmählich in einen rein phantastischen Boden für jede willkürliche Erfindung.

Wir sahen bisher das christliche Bewußtsein, allmählich wachsend, alle bedeutenderen Dichtungen jener Zeit durchdringen. Diese religiöse Weltansicht aber kulminiert endlich in den epischen Gedichten, welche aus dem dritten Fabelkreise vom heiligen Gral und Artus und seiner Tafelrunde hervorgegangen.

Es ist für unsere Betrachtung ziemlich gleichgültig, ob diese Sage, wie Gervinus meint, eine bloß willkürliche Dichtererfindung oder, nach Vilmar, orientalischen Ursprungs sei. In der christlichen Auffassung, die wenigstens in der Poesie Jahrhunderte lang Geltung hatte, war der heilige Gral eine aus köstlichem Stein gearbeitete und im Besitz Josephs von Arimathia befindliche Schüssel, in welcher nicht nur beim letzten Abendmahle Christi Leib seinen Jüngern dargereicht, sondern auch am Kreuze das Blut des sterbenden Erlösers aufgefangen worden, und das daher große Wunderkräfte besaß, alljährlich am Karfreitage durch die heilige Hostie erneut, welche eine leuchtend weiße Taube vom Himmel brachte und in den von schwebenden Engeln oder reinen Jungfrauen getragenen Gral niederlegte. Der Gral wurde in einem waldumkränzten runden Tempel aufbewahrt, an dessen Wunderpracht und sinnreicher Konstruktion alle Glut dichterischer Phantasie sich wahrhaft erschöpft hat. Hüter aber, oder König des Grals zu sein, war der höchste Ruhm des Rittertums, denn nur ein tapferes, keusches, aller Welteitelkeit entsagendes Gemüt konnte zu dieser Ehre gelangen.

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