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Man sieht, es ist die ewig alte und neue Geschichte des inneren Menschenlebens, wie es zu allen Zeiten in erhabenen und starken Seelen sich kämpfend offenbart. Das Ganze aber mit seinem streng architektonischen Bau ist wie ein Münster, der von der breiten Grundlage irdischen Treibens zwischen sehnsüchtig emporrankenden Reben- und Blumengewinden allmählich in die feierliche Einsamkeit der höheren Luftschicht aufsteigt, wo über dem vertosenden Leben der Tiefe nur noch steinerne Heiligenbilder mahnend stehen, bis zuletzt alles sonnentrunken im Kreuze gipfelt. Der Tiefsinn und symbolische Gedankenzug erinnert häufig an Dante, noch mehr aber, trotz der ganz verschiedenen äußerlichen Form, an die Autos von Calderon, indem hier wie dort das durchgehends Allegorische in wirklichen Gestalten persönlich und lebendig wird.

Außer dem Parzival besitzen wir von Wolfram von Eschenbach leider nur noch zwei unvollendet gebliebene epische Fragmente: den Willehalm (Wilhelm von Oranse) und den Titurel. Auch das erstere, das jedoch zu der Gral- und Artussage in gar keiner Beziehung steht, bekundet wieder den gedankenvollen Ernst des Dichters in dem unverwandten Streben der Ritterschaft nach dem Himmel sowie in der tief wahren Charakterzeichnung der schönen Heidin Arabele, welche Vater, Gatten und Kinder verläßt, um Christin zu werden, dann aber vor der Schlacht um Schonung der Heiden fleht und den Christen zürnt, weil sie wähnten, sie habe nur aus menschlicher Liebe ihren Göttern entsagt, »sie hätte auch dort Liebe gelassen und holde Kinder bei einem Gatten, an dem sie keine Untat gefunden; um Gottes Huld trüge sie jede Schuld und einen Teil auch um den Marquis (Willehalm)«. – Der Titurel dagegen knüpft unmittelbar an die Gralsage an. Es ist die Geschichte des alten Gralkönigs Titurel, besonders hervorleuchtend durch die noch unübertroffene Schilderung des wunderbaren Liebespaares Tschionatulander und Sigune. Hier tönt aller Nachtigallenlaut der zartesten Jugendliebe in Sigune, von welcher Tieck so schön und wahr sagt: »Gestorben, wie man sagt, sind längst Isalde und Sigune, ja, du lächelst über mich, denn sie haben wohl nie gelebt, aber das Menschengeschlecht lebt fort, und jeder Frühling und jede Liebe zündet von neuem das himmlische Feuer, und darum werden die heiligsten Tränen in allen Zeiten dem Schönsten nachgesandt, das sich nur scheinbar uns entzogen hat und aus Kinderaugen, von Jungfrauenlippen, aus Blumen und Quellen uns immer wieder mit geheimnisvollem Erinnern anblitzt und anlächelt, und darum sind auch jene Dichtergebilde belebt und unsterblich.«

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