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Aus diesem friedlichen Stilleben treten die eigentlichen Heiligen-Legenden bereits immer weiter in die Welt und ihren verworrenen Kampf heraus. Zu den ältesten Legenden dieser Gruppe gehört – außer der nach ihrer frühesten Abfassung von Karl Simrock übersetzten vom »ungenäheten Rocke Christi« – die noch in einem Bruchstücke aus dem 9. Jahrhundert vorhandene, späterhin aber von dem bereits erwähnten Dichter Hartmann von der Aue meisterhaft bearbeitete Legende vom »heiligen Georg vom Stein« sowie die wunderliche Sage »vom Pilatus«, in welcher der römische Statthalter dieses Namens mit einem deutschen grimmen Königssohne Pontus identifiziert wird, der sich nach Christi Tode wegen seines ungerechten Urteilsspruches selbst um das Leben bringt, dessen Leichnam sodann erst in die Tiber, später in die Rhone geworfen wird, aber immer wieder herausgeholt werden muß, weil er als ein böser Geist überall große Überschwemmungen verursacht, bis man ihn endlich in den See am Pilatusberge in der Schweiz versenkt, wo er liegt bis an den Jüngsten Tag, aber die bösen Wetter in den Bergen erzeugt und den See zornig aufwühlt, so oft man einen Stein hineinwirft. – In der Legende vom heiligen »Alexius« des vorhin genannten Konrad von Würzburg entsagt Alexius, der Sohn eines reichen römischen Bürgers, am Abend seines Hochzeittages der Welt und ihren Freuden, giebt den goldenen Ring seiner Braut Adriatica zurück und zieht in ärmlicher Kleidung hinaus. Nach mancherlei strengen Bußübungen und Pilgerfahrten wird er zuletzt in einem Meersturm nach Rom verschlagen. Hier findet er in dem Palast seines Vaters unter der Treppe als Bettler eine Lagerstatt, von allen unerkannt, so bleich waren Antlitz und Locken durch die freiwillige Not geworden. Die Diener verhöhnen den vermeintlichen Bettler, der Vater fragt ihn nach seinem Sohne, die treue Adriatica nach ihrem Gemahl. Dort stirbt er bald darauf, nachdem er seinen Lebenslauf auf ein Pergament niedergeschrieben und dieses fest in seine Hand geschlossen hatte; im Augenblick seines Todes aber fangen alle Glocken Roms von selbst zu läuten an, und es verbreitet sich die Kunde, daß unter der Treppe des Palastes der Heilige verschieden. Nun versuchen erst der Vater, dann die beiden Kaiser Arkadius und Honorius, und endlich selbst der Papst vergeblich, das Pergament aus der erstarrten Hand des Toten zu ziehen, sie öffnet sich nur der stillweinenden Adriatica. Wunderlieblich endlich ist in der Legende von der heiligen »Elisabeth« das zarte Bild der Heiligen gleichsam von einem milden Glorienschein umgeben: wie sie während der Messe mit innerlichen Augen das göttliche Wunder schaut, dann in ihrer Gefährtin Isentrut Schoße einschlummert und im Schlafe bald lächelt und bald weint, in ihrer Sterbestunde aber unsichtbar himmlischer Gesang ertönt.

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