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Am leuchtendsten tritt dieser Charakter grade in dem schönsten und bedeutendsten dieser Gedichte, in dem »Alexander« des Pfaffen Lamprecht hervor. Hier haben wir, anstatt der antiken Ruhe und Selbstgenüge, das überall durchtönende Gefühl von der Vergänglichkeit aller irdischen Größe und Schönheit und daher die Wehmut, das immer weiter und höher strebende Sehnen und zuletzt die Demut, die der Kraft so wohl ansteht; mit einem Wort: alle eigentümlichen Züge eines christlichen Ritters ohne Furcht und Tadel. Wie morgenkühl und taufrisch ist da in dem Briefe, in welchem Alexander seinem Lehrer Aristoteles die ihm zugestoßenen Abenteuer beschreibt, der Wunderwald geschildert, wo beim Rauschen der Wipfel zwischen rieselnden Quellen und Vogelsang hohe duftige Blumen stehen, deren halbaufgeschlossenen Knospen wunderschöne Mädchen entsteigen und ihren lieblichen Gesang mit dem der Waldvögel vermischen. Aber der Sommer gehet dahin: »die Blumen all verdarben, die schönen Mägdlein starben, ihr Laub die Bäume ließen, die Brunnen all ihr Fließen, die Vögelein ihr Singen – die Freuden all zergingen.« Man würde indes sehr irren, wenn man glaubte, daß durch solche zarte Wehmut etwa der Kraft irgend Eintrag geschieht. Vielmehr tut Alexander schon als Knabe, »wenn ihm etwas übel wider seinen Sinn fuhr, wie der Wolf tut, wenn er über seinem Raube steht«, und ficht in den späteren Kämpfen »mit grimmigem Mut, wie der zornige Bär tut, wenn ihn die Hunde bestehen, die er mit den Klauen mag fangen, an denen rächet er seinen Zorn«. Und es ist ebenso groß als wahr, wenn der Held sodann, auf die Frage, warum er als ein Sterblicher die Welt so in Bewegung setze und nicht Mäßigung lerne, den zagen Warnern zur Antwort gibt: »Uns ist von der höchsten Gewalt eingepflanzt, zu üben, welche Kraft wir erhalten haben; das Meer ist dem Winde gegeben, es aufzuwühlen.« Als aber Alexander nun bis an das Ende der Welt gekommen, erfaßt ihn auf dem höchsten Gipfel irdischer Macht der menschliche Schwindel; er will auch das Paradies haben und Zins von den englischen Chören. »Hie muget ir tumpheit horen!« ruft da der Dichter aus. Aber der Held pocht vergeblich an das Himmelstor, die Scharen der Engel beachten es nicht, und der Alte am Tore warnt ihn vor Gierigkeit, denn die Gierigkeit sei der unersättliche Schlund der Hölle. So, von der himmlischen Warnung wunderbar getroffen, kehrt Alexander um und wendet sich fortan von Kampf und Habsucht zur Demut. »Da ward ihm vergeben«, – von der ganzen eroberten Welt aber blieb ihm nichts übrig, als »Erde sieben Schuhe lang, wie dem allerärmsten Mann«.

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