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Es ist hiernach schwer begreiflich, wie in neuerer Zeit von namhaften Literarhistorikern die fröhliche Kunst der Troubadours und Provenzalen so hoch über das deutsche Minnelied erhoben werden konnte. Offenbar hat hierbei der politische Historiker dem poetischen Urteil vorgegriffen. Allerdings glänzten die Troubadours an prächtigen Minnehöfen und bildeten selbst an den Höfen der Könige durch Lob und Tadel eine politische Macht, während die meisten deutschen Dichter in der einsamen Freiheit ihrer Berge und Burgen sangen. Allein Politik und Königshöfe sind nie und nirgend die rechte Schule der Poesie, und so mußte auch hier das, was den deutschen Sängern äußerlich fehlte, innerlich ihrem Liede zugute kommen. Der Minnegesang der Troubadours mag daher immerhin reicher, künstlicher, beweglicher und mannigfaltiger sein; der deutsche dagegen ist bei weitem intensiver, keuscher, inniger, natürlicher und gedankenvoller. Wir finden bei den Troubadours im Grunde schon alle Eigenschaften, die uns bei den heutigen Franzosen, je nach der individuellen Ansicht anwidern oder blenden: Nationaleitelkeit, maßlose Ruhmredigkeit, Frivolität, dialektische Virtuosität und sehr viel Politik. Da aber die Lyrik eben die Geschichte der Seele ist, so entscheidet hier nicht die noch so reich auf der Oberfläche glänzende Äußerlichkeit, sondern einzig die Tiefe, und diese ist ohne Zweifel auf deutscher Seite.

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