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Gedankenarm dagegen und im Grunde nur eine neutralisierende Abschwächung der antiken Größe sind die anderen bis auf uns gekommenen Gedichte dieser Gattung. Demungeachtet zählen sie noch immer zu dieser Reihe, durch eine traditionelle Erbschaft christlicher Gesinnung und ritterlicher Ehrenhaftigkeit. In der »Eneit« (einer Bearbeitung von Virgils Aeneide) von Heinrich von Veldeke entschädigt wenigstens einigermaßen die Unschuld und Reinheit der irdischen Liebe in den eingeflochtenen Episoden; und Herbort von Fritzlar erklärt in seinem »liet von troje« gleich vornweg, daß er nie einen Mann loben werde, der untreu sei, und ob sich auch alle anderen Tugenden in ihm vereinten. Außerdem aber zeichnet sich die Eneit und insbesondere der »trojanische Krieg« von Konrad von Würzburg durch eine Sprach- und Reimgewandtheit und eine Anmut der Formen aus, die gewissermaßen den Übergang zur höfischen Kunstdichtung, vom alten Epos zum Minnegesange bildet.

Die Lyrik ist von aller Poesie die subjektiveste, sie geht nicht auf die gewordene Tat, wie das Epos, und nicht auf die werdende Tat, wie das Drama, sondern auf den eigentlichen tieferen Grund von beiden: auf den inneren Menschen; sie hat es mit der Stimmung und nicht mit der äußeren Manifestation dieser Stimmung zu tun. Wie das Epos die Poesie der Vergangenheit, der Sage und traditionellen Heroengeschichte, so ist die Lyrik, da sie an die Individuen gewiesen, wesentlich die Poesie der Gegenwart und folglich unruhig und wandelbar wie diese; von den Wellen der Zeit erweckt und getragen, gleichsam eine unsichtbare geheimnisvolle Äolsharfe, die von den wechselnden Lüften gespielt wird und einer wunderbaren unendlichen Modulation fähig ist. Sie ist daher auch ihrer Natur nach musikalisch und singbar, und ihr eigentliches Organ ist das Lied.

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