Читать книгу Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands онлайн

64 страница из 96

Eben durch ihre subjektive Natur aber ist die Lyrik auch bei den verschiedenen Nationen, die ja in der Weltgeschichte mehr oder minder gesonderte Volksindividualitäten darstellen, verschiedener und bezeichnet jeden besonderen Volkscharakter schärfer als andere Zweige der Poesie. Ja, wir möchten sie in diesem Betracht vorzugsweise eine deutsche Kunst nennen, wegen der größeren Innigkeit, die an der Glätte des Liedes romanischer Völker nirgend recht haften will und doch der eigentliche Grundklang aller Lyrik ist. Diese Innigkeit ist allerdings, wie jedes Talent, ursprünglich eine freie Gabe Gottes, steht aber fortwährend in so lebendiger Wechselbeziehung mit der Geschichte der Nation, daß sich hier Ursache und Wirkung schwer voneinander sondern lassen. Schon das erste Auftreten der germanischen Völker mitten zwischen den vom Morgenrot des Christentums wunderbar beleuchteten Trümmern der alten Welt mußte ihrer an sich ernsten Sinnesart eine tiefere, gedankenvollere Richtung geben. Ebenso wirkten weiterhin auch die Kreuzzüge hier anders ein als bei den anderen Nationalitäten. Denn die romanischen Völker – die Spanier in der Heimat, die Franzosen im Orient – streiften gleichsam im Fluge die Blüten der ersten Begeisterung, ja die letzteren gründeten im Siegesjubel neue Königreiche, die freilich ebenso rasch wieder verschwanden, als sie entstanden waren. Die späteren Kreuzzüge der Deutschen dagegen waren unglücklich und endigten tragisch mit dem Tode eines großen Kaisers. Daher drängten hier die gewaltigen Ereignisse zur Entsagung, zur Wehmut über die Vergänglichkeit aller menschlichen Größe, vom äußeren Ruhmesglanz zum Streben nach innerer Weihe.

Правообладателям