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Außer mehreren Liedern, die von Kaiser und Reich und Lebensmannen handeln, besitzen wir nämlich aus jener Zeit auch viele eigentlich geistliche Lieder von den göttlichen Dingen, unter denen sich besonders die des Minnesängers Spervogel durch ungesuchte Erhabenheit auszeichnen. Ja, eine der musikalischsten Liederformen, die Leiche, ist aus der sogenannten Sequenz des Kirchengesanges entstanden; während späterhin die weltlichen Tage- oder Wächterlieder, wo der Wächter von der Zinne den kommenden Tag verkündet und die Liebenden an das Scheiden mahnt, gleichfalls geistlich umgedeutet wurden.

Den bei weitem überwiegenden Stoff des Minnegesanges aber bildete, wie schon der Name andeutet, der Frauendienst. Dieser scheint uns indes keinesweges, wie andere wollen, aus dem mit der zunehmenden Zivilisation wachsenden Bedürfnis der durch Erwerb immer mehr belästigten Männer nach häuslichem Trost und Erholung entstanden zu sein. Ja, unsere sogenannte Häuslichkeit, die sich mit dem Stilleben ihrer Krautgärten begnügt, ist grade ein rechtes Gegenspiel jenes phantastischen Kultus, wo der Rittersänger von Land zu Land schweifend und toastierend, die Dame, die er feiert, oft nicht einmal von Angesicht gesehen hat. Wie hätte auch sonst grade späterhin, als die Sorge des Mannes für Haus und Hof doch offenbar immer lästiger geworden, der fromme, freudige Glaube aber gesunken war, jene Verehrung beinah in rohe Verachtung der Frauen umschlagen und der alte Frauendienst allmählich ganz in Verfall geraten können? Der Frauendienst, in seiner ersten ungetrübten Blüte, wuchs vielmehr lediglich aus der christlichen und also idealeren Auffassung der irdischen Schönheit – die Natur mit ihren Bergen, Wäldern und Vogelsang mit eingeschlossen – und aus dem daraus folgenden Gefühle der unsichtbaren Gewalt, welche die Unschuld und Reinheit dieser Schönheit, die im Weibe ihre höchste Blüte hat, über das zerfahrene Treiben und die verworrenen Leidenschaften des Mannes ausübt. Es ist, wie Gervinus richtig bemerkt, mehr die Verehrung des weiblichen Geschlechts als einzelner Frauen. Daher sehen wir diese Verehrung überall kühn an das höchste Ideal geistiger Schönheit, an die Verherrlichung der Jungfrau Maria geknüpft, als des himmlischen Symbols weiblicher Milde und Reinheit, das seinen überirdischen Glanz verklärend auf alle irdischen Frauen herniederstrahlte. Vergeblich suchen wir in allen anderen Sprachen einen Ausdruck für unsere deutsche Minne, für jene höhere Liebe, »die alle Enge und Weite umspannt; die auf Erden und im Himmel thront, die überall, nur in der Hölle nicht, gegenwärtig ist«.

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