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Die sogenannte klassische Poesie der Alten verhält sich zu der romantischen ungefähr wie die Plastik zur Malerei. Dort die Schönheit der menschlichen Gestalt versteinert und das tote Auge; hier das rätselhafte Spiel des Lichts in wunderbaren Farben und das lebendige Auge, durch das man in die geheimnisvollen Abgründe der Seele schaut. Wahrheit ist in der alten wie in der romantischen Poesie, aber dort die sinnliche, endliche, hier eine übersinnliche, überirdische Wahrheit. Daher macht die praktische Sicherheit, heitere Genüge und abgeschlossene Vollendung jener alten Poesie überall den befriedigenden Eindruck eines in ihrem beschränkten und klar umschriebenen Kreise fertigen Ganzen, wie denn auch wirklich seit den Griechen weder in der Plastik noch in der antiken Dichtung, trotz aller Vorliebe und Anstrengung, etwas Besseres oder auch nur Neues erfunden worden ist. Das eigentliche Wesen aller romantischen Kunst dagegen ist das tiefe Gefühl der Wehmut über die Unzulänglichkeit und Vergänglichkeit der irdischen Schönheit und daher eine stets unbefriedigte ahnungsreiche Sehnsucht und unendliche Perfektibilität. Ihr ernster Geist ist, wie schon oft bemerkt, am deutlichsten in der sogenannten gotischen Baukunst ausgeprägt, wo die Gedanken mit allem irdischen Blütenschmuck aus der Tiefe sehnsüchtig zum Kreuze emporpfeilern in kühnen Bogen und Münstern, die fast niemals fertig geworden.

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